Preisträger des GLAUSER 2024 in der Kategorie "Roman"
Der GLAUSER-Preis 2024 in der Kategorie "Roman" geht an Joachim B. Schmidt. Die Auszeichnung wurde am Samstag, den 18. Mai 2024, in einer großen Gala im Rahmen der CRIMINALE in Hannover verliehen. Der Preis ist mit 5.000 Euro in bar in nicht fortlaufend nummerierten Scheinen dotiert.
PREISTRÄGER DES Glauser 2024 in der Kategorie "Roman":
Joachim B. Schmidt: Kalmann und der schlafende Berg (Diogenes)
Joachim B. Schmidt
Kalmann und der schlafende Berg (Diogenes)
Foto ©Eva Schram/ © Diogenes Verlag
Unfreiwillig findet sich Kalmann im Hauptquartier des FBI in Washington wieder. Ausgerechnet er, der „Sheriff“ von Raufarhöfn. Dabei sollte er bloß seine amerikanische Familie kennenlernen. Dank der jungen FBI-Agentin Dakota Leen landet er nicht im Gefängnis, sondern bald wieder sicher zu Hause in Island. No need to worry. Dass sein Name von nun an auf einer schwarzen Liste steht, stört ihn nicht, teilt er dieses Schicksal doch mit seinem kürzlich verstorbenen Großvater.
Eine Tatsache, die seinen Verdacht, dieser sei ermordet worden, erhärtet. Zielstrebig nimmt er die Ermittlungen auf, nichtsahnend, in welch ein explosives Wespennest er stechen wird.
In „Kalmann und der schlafende Berg“ begegnet uns eine der liebenswertesten und eindrücklichsten Figuren der gegenwärtigen Kriminalliteratur zum zweiten Mal.
Erinnerungen durch den eingeschränkten Blick eines naiven Erzählers zu filtern, ist ein genialer Kunstgriff des Autors. Selbst epochale Weltgeschichte können wir so in einem neuen Licht betrachten, bar jeder herkömmlichen Bewertung. Eine Fähigkeit, die uns in medial verhetzten Zeiten nahezu verlorengegangen ist.
Kalmann beobachtet, analysiert und handelt nach einfachen Regeln: Wenn jemand Hilfe braucht, hilft man. Wenn man verloren geht, bleibt man stehen. Das ist ein Naturgesetz.
Mit starken Bildern führt uns der Autor an die raue, pittoreske Natur Islands und seine Bewohner heran. Die passgenaue Wortwahl lässt uns mit seinem Helden staunen, stöhnen, lachen und zittern. Denn es wird auch brandgefährlich. Nicht nur für den Sheriff, der erneut die Welt retten muss - und uns grübelnd zurücklässt, ob der Mann mit der Fischsuppe im Kopf nicht doch der Klügere ist.
„Kalli minn, du bist ein Weiser“, sagt seine Mutter. „Korrektomundo“, sagen wir und ergänzen: „Joachim B. Schmidt, du bist ein magischer Autor.“
Außerdem nominiert waren:
Vera Buck: Wolfskinder (Rowohlt Polaris)
Sabine Kunz: Die Saubermacherin. Wischen impossible (Gmeiner)
Elsemarie Maletzke: Agathes dunkler Garten (Schöffling & Co.)
Sven Stricker: Sörensen sieht Land (rororo)
Jury:
Jochen Bender, Ricarda Oertel, Beate Ferchländer, Dorle Gelbhaar, Reimer Eilers und Moni Reinsch (Jury-Organisation)
(Die Aussschreibungen für das Jahr 2025 finden Sie hier.)
Preisträgerin GLAUSER 2023 in der Kategorie "Roman"
Der Preis in der Kategorie "Roman" ist mit 5.000 Euro in bar in nicht fortlaufend nummerierten Scheinen dotiert.
Die Preisträgerin 2023 wurde am Samstag, den 13. Mai 2023, in einer großen Gala im Rahmen der Criminale in Darmstadt verkündet und geehrt.
Preisträgerin des GLAUSER 2023 in der Kategorie "Roman":
Ellen Dunne: Boom Town Blues
Boom Town Blues (Haymon)
Foto © Orla Connolly
Zuerst passiert ein Mord. Dann gibt es eine Leiche in der österreichischen Botschaft in Dublin.
Drogenbanden kommen ins Spiel, skrupellose Immobilienhaie und Banken, unfähige Politik.
Es wird komplizierter, weitere Verbrechen geschehen, es passiert Überraschendes. Schließlich löst sich alles auf …»Boom Town Blues« von Ellen Dunne ist ein ganz normaler Krimi.
Und trotzdem ist er etwas ganz Besonderes. Die ersten zwei Sätze deuten es schon an:
»Die Stadt glitzert heute Abend. Funkelt wie die Augen eines Wahnsinnigen.«
Nach den ersten Seiten ist man sich sicher: Dieses Feuerwerk, das die Autorin hier sprachlich zündet, hält sie nicht durch.
Tut sie aber. Da blitzen Ironie auf und Sarkasmus, Intelligenz, Lebensfreude – und ganz viel Witz. Hier überfallen einen manchmal die Sätze von hinten und machen einen sprachlos. Im positiven Sinn. DAS macht das Buch zu etwas Besonderem. Es ist eine pure Freude, dieses Buch zu lesen. Man weiß nie, von woher man im nächsten Satz angefallen wird. Und freut sich darauf.
Außerdem nominiert waren:
- Frauke Buchholz: Blutrodeo (Pendragon)
- Linus Geschke: Das Loft (Piper)
- Jan Costin Wagner: Am roten Strand (Galiani)
- Inken Witt: Warten.Leben.Sterben (Piper)
In der "Roman"-Jury für den GLAUSER 2023 waren: Anja Marschalll, Ulf Kartte, Andreas Schäfer, Christof Gasser, Tommie Goerz (= Dr. Marius Kliesch) und Moni Reinsch (Jury-Organisation).
(Die Aussschreibungen für das Jahr 2024 finden Sie hier.)
Frauke Buchholz
Blutrodeo (Pendragon)
Foto © Claudia Fahlbusch/Pendragon Verlag
Der kanadische Profiler Ted Garner wird nach zwei Morden nach Calgary entsandt. Superintendent Samantha Stern, israelische Armeeveteranin, wird ihm als Teampartnerin zugeteilt.
Die Ermittlungen führen das ungleiche Duo zu einem Ölkonzern im Norden Albertas. Ölsandabbau ohne Rücksicht auf die Natur bildet die apokalyptische Kulisse für die Zeitreise in die Vergangenheit der Mordopfer.
Frauke Buchholz beschreibt authentisch und plastisch die verheerenden Umweltfolgen des Raubbaus. Vor allem erzählt sie aus eigener Erfahrung von den prekären Lebensverhältnissen der indigenen Bevölkerung in den Reservaten am Rande der verseuchten Mondlandschaften.
Geschickt ergänzt sie die Konflikte des Ermittlerduos mit Rückblenden der Opfer und Perspektivwechseln, sodass die Spannung bis zum überraschenden Showdown konsequent gehalten wird.
Der Autorin gelingt es hervorragend, die Dramatik eines modernen Kanada-Westerns mit der Weissagung der Cree zu verbinden:
"Erst wenn der letzte Baum gefällt ist ..."
Linus Geschke
Das Loft (Piper)
Foto © Marc Hillesheim/Piper Verlag
Ein schickes Loft in Hamburg. Ein Paar Anfang dreißig, Sarah und Marc, und ihr Mitbewohner Henning, Marcs bester Freund. Drei Jahre lang sind sie aufs Engste verbunden, teilen ihre Träume und Sehnsüchte. So scheint es zumindest. Dann aber wird Henning grausam ermordet, und sämtliche Spuren deuten auf Sarah und Marc.
Bereits im Vorwort fordert Linus Geschke seine Leser heraus. Er gibt einen Vorgeschmack auf den intensiven Drive, den die folgenden Seiten haben werden. Das Buch lässt niemanden los, bis die letzte Seite erreicht ist.
Der Roman um drei Freunde, die in einem hippen Hamburger Loft zusammenwohnen und von denen einer auf mysteriöse Weise stirbt, besticht. Durch einen raffiniert aufgebauten Plot und wechselnde Erzählperspektiven legt er einen sehr intimen Fokus auf die jeweilige Innensicht der Figuren. Keiner ist das, was er vorgibt zu sein.
Die Grundfesten des Genres, bestehend aus Moral, Vergeltung und Schuld, werden in diesem Buch auf immer wieder überraschende Art neu konstruiert und in Beziehung zueinander gesetzt. Elegant überschreitet der Autor die Grenze zwischen klassischem Ermittlerkrimi und Psychothriller. Ein Verwirrspiel mit knapper, bildhafter Sprache, dessen Auflösung selbst krimierfahrene Leser verblüfft. Kein Wort zu viel. Keines zu wenig. Hier war ein Könner am Werk.
Am roten Strand (Galiani)
Foto © David Biene
Eigentlich könnten die Ermittler Ben Neven und Christian Sander zufrieden sein: Im letzten Moment retteten sie ein entführtes Kind und brachten den Täter ins Gefängnis.
Doch jetzt stellt sich heraus, dass hinter ihm ein großes und gut organisiertes pädophiles Netzwerk steht.
Jan Costin Wagner gelingt mit „Am roten Strand“ ein aufwühlendes, aber auch sehr sensibles Buch über Kindesmissbrauch. In kurzen, fast zoomartigen Szenen beleuchtet er das Innenleben seiner Figuren. Dabei zeigt er, was die Missbrauchstaten bewirken: sowohl bei den Opfern als auch bei den Ermittlern, die emotional zutiefst involviert sind und von denen einer mit seinen Neigungen kämpft.
„Am roten Strand“ ist ein mutiger Roman, der nachhallt, der keine einfachen Antworten gibt. Wagner beschreibt in einer verstörend poetischen Sprache eine Realität, die wir oft am liebsten verdrängen würden.
Inken Witt:
Warten.Leben.Sterben. (Piper)
Foto © Silke Weinsheimer
Privatdetektivin Isadora Winter ist gut in Ihrem Job, denn sie kann warten, beobachten und anonym bleiben. Doch als Katharina Schneider ihre Hilfe sucht, bricht sie ihre eigenen Regeln. Sie schreitet ein, kurz bevor Katharinas Mann fremdgehen kann. Damit setzt sie eine verheerende Kette von Ereignissen in Gang. Wenig später ist Katharina tot. Isa glaubt nicht an einen Unfall. Sie lässt das Warten hinter sich und beginnt zu handeln. Dabei gerät sie selbst in tödliche Verstrickungen.
Inken Witt präsentiert mit klarer, schnörkelloser Sprache einen Krimi im Stil des traditionellen Noir-Genres. Vor dem Hintergrund der winterlichen Kulisse Berlins lösen sich Gewissheiten und Prinzipien auf. Ein harter Thriller, in dem sich menschliche Schwächen in Stärken verwandeln. Der Leserin, dem Leser bleibt nichts Anderes übrig, als sich mitreißen zu lassen.
Für den Glauser-Preis 2023 konnten bis zum 30. November 2022 deutschsprachige Kriminalromane von Verlagen eingereicht werden, deren Erscheinungstermin zwischen Dezember 2021 und November 2022 lag (Originalausgaben).
Jury:
Anja Marschalll, Ulf Kartte, Andreas Schäfer, Christof Gasser, Tommie Goerz (= Dr. Marius Kliesch) und Moni Reinsch (Jury-Organisation)
(Die Aussschreibungen für das Jahr 2024 finden Sie hier.)
GLAUSER Preisträger in der Kategorie "Roman" 2022
Der GLAUSER-Preis in der Kategorie "Roman" ist dotiert mit 5.000 Euro für den besten deutschsprachigen Kriminalroman des vergangenen Jahres.
Der Preisträger 2022 wurde am Samstag, den 21. Mai 2022, in der großen Gala während der Criminale in Iserlohn verkündet und geehrt.
Die Ausschreibungen für das Jahr 2023 finden Sie hier !
Preisträger des GLAUSER-Preises 2022 in der Kategorie "Roman":
Jörg Juretzka:
Nomade
Rotbuch Verlag
Foto © Harald Hoffmann
Begründung der Jury:
In dem Roadmovie Nomade schickt Jörg Juretzka seinen Helden Krystof Kryszinski auf eine Reise durch die Wüste. In seinem vierzehnten Fall forscht der ehemalige Detektiv aus dem Ruhrpott in der Sahara nach Verschollenen. Mit viel Spürsinn ermittelt er wahrscheinliche Routen und wird auch meistens fündig. Auch wenn er letztlich nicht immer auf das trifft, was er sucht.
Mit knappen Worten, skizzenhaft fast, und mit großer Empathie für seine Figuren erzählt Juretzka eine pralle, farbenfrohe Geschichte. Eine sehr persönliche Geschichte, die Fernes sehr nah an den Leser heranrückt, für ihn miterlebbar macht. Beiläufig, aber immer dicht an seiner Hauptfigur, schildert er die politische Lage Nordafrikas aus dem Blickwinkel seines Ermittlers. Jörg Juretzka gelingt es, mit aktuellen Themen wie Migration oder der Rolle der Frauen ein detailliertes Wüstenbild zu malen. Es zeigt den Alltag, mit dem sich Krystof Kryszinski arrangieren muss, will er überleben. Etwas, an dem die Vermissten oft scheiterten, denn meist findet er nur noch Tote. Die Wüste ist gnadenlos, aber faszinierend, dies beschreibt Juretzka in einer Weise, dass beim Lesen die Sandkörner zwischen den Zehen zu knirschen scheinen. Die Sahara ist eine Naturgewalt, in der und mit der Menschen agieren. Schönheit und Grauen liegen stets nah beieinander. Juretzka leuchtet jede Facette aus, bildgewaltig, mit Leichtigkeit und Humor, aber immer mit großem Respekt vor seinen Figuren.
Außerden nominiert waren:
- Simone Buchholz: River Clyde (Suhrkamp Nova)
- Petra Ivanov: Stumme Schreie (Unionsverlag)
- Ina Resch (Regina Ramstetter): Die Farbe des Vergessens (Emons)
- Michael Wallner: Shalom Berlin – Gelobtes Land (Piper)
Für den GLAUSER-Preis, den Autorenpreis deutscher Kriminalliteratur, konnten Verlage deutschsprachige Romane einreichen, deren Erscheinungstermin zwischen Dezember 2020 und November 2021 lag (Originalausgaben).
Jury:
Uli Aechtner, Lena Johannson, Angélique Mundt, Paul Ott, Ilka Stitz und Moni Reinsch (Jury-Organisation)
(Die Aussschreibungen für das Jahr 2023 finden Sie hier.)
Nominierte für den GLAUSER-Preis 2022 in der Kategorie "Roman"
Der Preis in der Kategorie "Roman" ist mit 5.000 Euro in bar in nicht fortlaufend nummerierten Scheinen dotiert.
Der oder die PreisträgerIn 2022 wird am Samstag, den 21. Mai 2022 in einer großen Gala im Rahmen der Criminale in Iserlohn verkündet und geehrt.
(Die Aussschreibungen für das Jahr 2023 finden Sie hier.)
Nominierte für den Glauser-Preis 2022 in der Kategorie "Roman":
(in alphabetischer Reihenfolge)
Simone Buchholz: River Clyde (Suhrkamp Nova)
Petra Ivanov: Stumme Schreie (Unionsverlag)
Jörg Juretzka: Nomade (Rotbuch Verlag)
Ina Resch (Regina Ramstetter): Die Farbe des Vergessens (Emons)
Michael Wallner: Shalom Berlin – Gelobtes Land (Piper)
Simone Buchholz
River Clyde (Suhrkamp Nova)
Foto © Gerald von Foris/Suhrkamp Verlag
Im 10. Band der Reihe um die Staatsanwältin Chastity Riley nimmt diese eine Auszeit und reist nach Schottland, um dort ein Erbe anzutreten. Ihr sind die Kategorien des bisherigen Lebens und Empfindens entglitten, und sie ertränkt frühere Traumata im Alkohol. In Hamburg werden derweilen ganze Straßenzüge abgefackelt. Die Kollegen vor Ort üben sich in Arbeitsverweigerung, während Riley mit Geistwesen spricht.
Simone Buchholz evoziert mit wenigen Sätzen ganze Ereignis- und Gefühlslandschaften. Genauso wie sich die Kategorien in Rileys Leben auflösen, löst sich die Kategorie Krimi auf. Die Autorin spielt mit den Erwartungen, sie liefert Puzzle-Teile, aus denen sich ein Bild ergibt, sie setzt sprachliche Akzente messerscharf und lupenrein. »River Clyde« ist eine Metapher für das vergangene Leben: »Der Fluss liegt derweil da wie ein über hundertsiebzig Kilometer langer toter Mann.«
Petra Ivanov
Stumme Schreie (Unionsverlag)
Foto: Chris Marogg
Bruno Cavalli ermittelt in einer Spezialabteilung der Sicherheitspolizei gegen einen Kollegen in einem Fall von illegalem Hundehandel. Gleichzeitig bekommt es Cavallis Ehefrau, die Staatsanwältin Regina Flint, mit einem verschwundenen Kind zu tun. Hängen die Fälle miteinander zusammen?
Aufgrund der internen Ermittlungen dürfen sich Cavalli und Flint nicht austauschen, was zunehmend zur Zerreißprobe wird.
Petra Ivanov spinnt dramaturgisch gekonnt ein dicht verwobenes Netz von Hinweisen, falschen Spuren, persönlichen Verwicklungen und zwielichtigen Zeugen, die sich zu einem ungemein fesselnden und rasanten Kriminalfall aufschaukeln. Die Protagonisten, die immer nahbar bleiben und deren Probleme einen nicht kalt lassen, ziehen den Leser immer tiefer in die Abgründe menschlicher Schwächen und krimineller Verstrickungen. Genaue Recherche und überraschende Wendungen runden diesen temporeichen Kriminalroman ab und machen ihn zu einem spannenden Lesevergnügen.
Jörg Juretzka:
Nomade (Rotbuch Verlag)
Foto © Harald Hoffmann
Kristof Kryszinski spürt in der afrikanischen Wüste vermisste Menschen auf, teils, um gegen Lohn deren Leben zu retten, teils, um seinem Vagabundendasein einen Sinn zu geben. Touristen durchqueren die Wüste, um sich von der Zivilisation zu erholen, während Einheimische auf der Flucht in die westliche Zivilisation sind. Kryszinski trifft Warlords, überschreitet im doppelten Wortsinn Grenzen, findet und beerdigt Tote. Er ist einsam unterwegs, begleitet nur von seiner Hündin Bella, bis er auf eine anspruchsvolle einheimische Schönheit trifft.
Juretzkas Wüste lebt. Sein flott-witziger Ton und sein staubtrockener Humor überdecken beinah seine subtile Kritik am Menschenhandel, an der Religion und der Rolle, die Frauen in afrikanischen Gesellschaften oft zugewiesen wird. Sein Ruhrpott-Ex-Detektiv Kristof Kryszinski ist so sensibel wie knorrig und einfach Kult.
Ina Resch:
Die Farbe des Vergessens (Emons)
Die Präparatorin Julie Senninger hat eines Tages ein Spiegelbild ihrer selbst auf dem Obduktionstisch liegen. Könnte es ihre Tochter sein? Als ihr Kind geboren wurde, war Julie ein Junkie. Was damals geschah, ist für sie wie ausgelöscht.
Ina Resch lässt ihre Protagonistin die Fragmente emotionaler Erinnerung zusammensetzen. Sie schickt sie auf eine Reise in ihre Vergangenheit, die einem Drogentrip kaum nachsteht und die Lesenden mit in den Bann zieht. Die Autorin beweist Mut zu einem ungewöhnlichen Plot. Sie fächert ein traumatisches Frauenleben vor uns auf, versöhnt uns aber auch mit einer berührenden Liebesgeschichte, die ihren Ursprung schon in der Kindheit hat. Der Spannungsroman besticht zudem durch minutiöse Recherche, sei es im Obduktionsaal, in der Drogenszene oder in einer muslimischen Metzgerei.
Michael Wallner:
Shalom Berlin – Gelobtes Land (Piper)
Foto © Aglef Püschel
Eine Reihe verschwundener Kinder in Berlin. Geht ein Serientäter um? Staatsschützer Alain Liebermann wird in den Fall eingebunden. Die Ermittlungen verlangen ihm alles ab und führen ihn ausgerechnet in den Nahen Osten.
Wunderbar klar nimmt Michael Wallner seine Leserschaft mit auf die rasante Jagd nach einem skrupellosen Verbrecher. Und ins Herz einer jüdischen Sippe, die man einfach lieben muss. Überzeugende Figuren, präzise gezeichnet, eine gute Dosis Überraschungen, gefühlvoll, ohne in den Kitsch abzugleiten. Wenn Kinder die Opfer sind, ist besonders viel Sensibilität gefragt. Wallner hat sie. Er kommt ohne Effekthascherei und unnötige Grausamkeit aus.
Ein glänzender Krimi, überzeugend und voller Atmosphäre. Der dritte Liebermann-Band ist ein großer, kluger Lesespaß.
Für den Glauser-Preis 2022 konnten bis zum 30. November 2021 deutschsprachige Kriminalromane von Verlagen eingereicht werden, deren Erscheinungstermin zwischen Dezember 2020 und November 2021 lag (Originalausgaben).
Jury:
Uli Aechtner, Lena Johannson, Angélique Mundt, Paul Ott, Ilka Stitz und Moni Reinsch (Jury-Organisation)
(Die Aussschreibungen für das Jahr 2023 finden Sie hier.)