Preisträgerin des GLAUSER 2024 in der Kategorie "Debütroman"
Der GLAUSER-Preis 2024 in der Kategorie "Debütroman" geht an Caroline Seibt. Die Auszeichnung wurde am Samstag, den 18. Mai 2024, in einer großen Gala im Rahmen der CRIMINALE in Hannover verliehen. Der Preis ist mit 2.000 Euro in bar in nicht fortlaufend nummerierten Scheinen dotiert.
PREISTRÄGERIN DES GLAUSER 2024 in der Kategorie "Debütroman":
Caroline Seibt: Gestohlenes Kind (dp Digital Publishers)
Caroline Seibt
Gestohlenes Kind (dp Digital Publishers)
Foto © dp Digital Publishers
Caroline Seibt legt mit „Gestohlenes Kind“ einen Debütroman vor, der die Jury durch seine Spannung, Struktur und Sprache überzeugt hat. Thematisch geht es um Vergeltung, aber auch um Familie. „Gestohlenes Kind“ erzählt eine Geschichte, die zwischen den Jahren 1985 und 2008 spielt – dem Leser wird schnell klar, dass die Lösung des Falls in der Vergangenheit liegen muss. Schon am Ende des ersten, sehr kurzen Kapitels liegt Jakob Heins alkoholkranke Mutter halbtot geschlagen in ihrer Wohnung, der Zehnjährige selbst ist in den Fängen dubioser Männer.
23 Jahre später verbrennt sich am Berliner Hauptbahnhof ein Mann, und Kommissar Theo Weiland übernimmt die Ermittlungen – auch weil der Tote eine alte Visitenkarte Weilands bei sich trägt. Caroline Seibts kurze, prägnante Sätze erzeugen Tempo und Spannung. Jakob landet im Heim, eine Aufbewahrungsanstalt, in der Kinder gequält und misshandelt werden. Ohne Chance, dieser Hölle zu entgehen. Geschickt verbindet die Autorin aktuelle Ermittlungen mit Rückblenden.
Der Stoff, den Caroline Seibt sich für ihren Debütroman ausgesucht hat, ist aktuell und berührend, weil es um Kinder geht, denen Unrecht geschieht und die ein Leben an einem Ort führen müssen, an dem sie niemand schützt. Die andere Erzählebene zeigt auf beeindruckende Weise, was es mit Menschen macht, die psychische und physische Gewalt erfahren.
Viele Einreichungen in diesem Jahr waren wie der Anzug von der Stange: solide genäht, passgenau gefertigt. Caroline Seibts Krimi ist eher wie das handgemachte Kleidungsstück, manche Naht nicht ganz exakt, aber ein Unikat. Auch deswegen erhält sie den Glauser-Preis für den Debütroman. Wir erkennen ihr großes Potential und wünschen nicht nur ihr, sondern allen Debütanten mehr Aufmerksamkeit und sorgsame Begleitung durch Lektorat und Verlag.
Außerdem nominiert waren:
Andrea Bonetto: Abschied auf Italienisch (Droemer)
Oliver Juli: Das Gebot des Bösen (Emons)
Jury:
Ivonne Keller, Stefan Keller, Erwin Kohl, Eberhard Michaely, Kirsten Püttjer und Elke Pistor (Jury-Organisation)
(Die Aussschreibungen für das Jahr 2025 finden Sie hier)
Preisträgerin GLAUSER 2023 in der Kategorie "Debütroman"
Der Preis in der Kategorie "Debütroman" ist mit 2.000 Euro in bar in nicht fortlaufend nummerierten Scheinen dotiert.
Die Preisträgerin 2023 wurde am Samstag, den 13. Mai 2023, in einer großen Gala im Rahmen der Criminale in Darmstadt verkündet und geehrt.
Preisträgerin des GLAUSER 2023 in der Kategorie "Debütroman":
Sybille Ruge: Davenport 160 x 90
Sybille Ruge
Davenport 160 x 90 (Suhrkamp)
Foto © Emotional Gallery
„Meinen Vater lernte ich auf seiner Beerdigung kennen. Seine Auslöschung hatte bereits zu Lebzeiten stattgefunden. Meine Mutter hatte sechs Wochen zuvor, kurz vor ihrem Tod, erstmals seinen Namen
erwähnt.“
Sonja Slanski, Betreiberin einer Inkassofirma, erbt nach dem Tod ihrer Eltern einen Sanifair-Bon sowie eine zehn Jahre jüngere Halbschwester, Luna Moon, Künstlerin und Escort-Girl. Als sie Luna ermordet in ihrer Wohnung findet, kämpft die scheinbar abgebrühte Slanski um ihren seelischen Halt. Voller Misstrauen gegenüber der Polizei sucht sie nach dem Mörder der einzigen Person, die sie geliebt hat und verwickelt sich in immer waghalsigere Ermittlungen
im kriminellen Kunst- und Wirtschaftsmilieu Frankfurts.
Sybille Ruge zeichnet ihre Ermittlerin Slanski vordergründig als Nihilistin, deren Vertrauen allein ihrer Rossi 971 gilt. Doch auf der Jagd nach Lunas Mörder taumelt sie, den Halt verlierend, durch ein kühl inszeniertes Frankfurt voller schräger Figuren, trägt innerlich und äußerlich Narben davon, bis sie dem mutmaßlichen
Mörder schließlich vor einer Installation gegenübersteht, die ein Spiegelbild ihres eigenen Lebens ist. Die Sprache des Romans gleicht der Protagonistin: Hart, präzise,
lakonisch. Das Tempo ist hoch, man wird mitgerissen vom Sog der Ereignisse. Ein origineller und schonungsloser Roman voller ungewöhnlicher Details.
Außerdem nominiert waren:
- Mina Albich: Mexikoplatz
- Annemarie Mitterhofer: Wiener Rosenmord
- Paul Schüler: 1942 - Das Labor
- Antje Zimmermann: Frau Faust
In der "Debütroman"-Jury für den GLAUSER 2023 waren: Laura Noll, Nina Röttger, Günther Thömmes, Sabine Trinkaus, Ingrid Werner und Marc-Oliver Bischoff (Jury-Organisation).
(Die Aussschreibungen für das Jahr 2024 finden Sie hier.)
Mina Albich
Mexikoplatz (Emons)
Foto © Ania_Radziszewska
"Nicky sollte eigentlich gar nicht hier sein." So beginnt Mina
Albichs Krimi mit dem Setting rund um den gleichnamigen Platz in
Wien. Die Psychologin Nicky Witt ist aber da, am Mexikoplatz, um
drei Uhr Nachts, und findet auf einer Parkbank eine Frauenleiche.
Die aber wenig später, als die Polizei eintrifft, bereits wieder
verschwunden ist.
In der Folge entwickelt sich ein intelligentes Verwirrspiel mit
ungewöhnlichen Utensilien, wie Marderschädeln und Haschkeksen.
Albich zeichnet ihre Figuren gekonnt mit Innen- wie Ausseneinsicht.
Mischt ein bisschen Unterwelt und ein bisschen Studentenleben mit Beziehungsstress, Sexarbeit und Kaffeehaus-Charme.
Durch all dies muss sich Gruppeninspektor Felix Grohsman hindurch wühlen, unterstützt von Nicky Witt, um dann die Leiche und den dazu
gehörigen Mord einer schlüssigen Aufklärung zuzuführen. "Mexikoplatz" ist ein äußerst unterhaltsamer, klassischer Krimi mit
einer originellen Tatwaffe und sehr viel Wiener Schmäh.
Annemarie Mitterhofer
Wiener Rosenmord (Gmeiner)
Foto © privat
„Drittens“, erinnerte sich Anna Bernini an die aufmunternden Worte
ihrer Therapeutin, als sie schon die Hand nach der Türklinke ausgestreckt hatte, „wird es ja nicht gleich an Ihrem ersten Arbeitstag ein spektakulärer Mordfall sein.“ Was wieder einmal
beweist, dass Ärzte auch keine Hellseher sind, dachte Anna Bernini angefressen.“
Leider irrt Frau Dr. Egger, denn kaum zurück im Dienst findet sich
Bernini, erste weibliche Chefinspektorin für Leib und Leben des LKA
Wien, im Bezirk Leopoldstadt wieder, wo ein schöner Blumenhändler unter einem Berg roter Rosen tot aufgefunden wurde. Die Spur führt in die Praterstern-Halbwelt und zum mächtigen Wiener „Rosenkaiser“.
Bernini hat nicht nur mit mafiösen Machenschaften und ihren inneren Unwuchten zu kämpfen, auch die eigene Mordgruppe macht ihr das
Leben schwer - allen voran Inspektor Schramek, der nicht müde wird, an ihrem Stuhl zu sägen.
Ein skurriler Mord und eine herrlich schräge Ermittlertruppe - Annermarie Mitterhofer erzählt die rasante Geschichte mit einer ordentlichen Portion Wiener Schmäh, garniert mit köstlicher Boshaftigkeit, herrlicher Situationskomik und großem Sprachwitz.
Es sind nicht nur die wunderbar gezeichneten Figuren - allen voran die erfrischende Anna Bernini - und der rabenschwarze Humor, auch
der temporeiche Plot mit seinen überraschenden Wendungen fesselt bis zum Finale im Kompostierwerk.
„Wiener Rosenmord“ ist ein im besten Sinne schräger Krimi - witzig, rasant und mitreißend - und darum ein großes Lesevergnügen.
Paul Schüler
1942 - Das Labor (Aufbau)
Foto © Lukas Busse
„Margarete wollte zu ihm laufen, um ihm klarzumachen, dass es
keinen Zweck mehr hatte. Sie mussten hier raus! Doch dann
verschwand das Labor vor ihren Augen in einem gleißenden Blitz.“
Leipzig 1942: Am Physikalischen Institut läuft die Uranmaschine.
Dr. Margarete von Brühl will den Nazis mit ihren Experimenten keine neue Waffe liefern – ihre Forschungen dienen friedlichen Zwecken. Doch sie hat die Rechnung ohne den intriganten Kriminalrat Schander von der Gestapo gemacht.
Als es zur Katastrophe kommt und die Uranmaschine explodiert, stirbt Gretes Assistent und Liebhaber. Sie selbst überlebt nur knapp. Noch bevor sie enträtseln kann, ob sie selbst schuld an dem tragischen Vorfall ist oder ob Sabotage im Spiel war, wird Grete verhaftet. Plötzlich findet sie sich in einem Strudel aus politischen Verschwörungen, Lügen und Gewalt wieder. Scheinbar sollen ihre Forschungsergebnisse doch für den Bau einer Atombombe missbraucht werden. Gemeinsam mit einigen ungewöhnlichen Verbündeten setzt Grete alles daran, das zu verhindern – und muss gleichzeitig herausfinden, wem sie trauen kann.
Paul Schüler ist es in seinem Debüt gelungen, einen wirklich gut konzipierten, mitreißenden Thriller um ein realgeschichtliches Ereignis – die Explosion der Uranmaschine im Jahre 1942 – zustricken. „1942 – Das Labor“ zeichnet sich durch einen packende Erzählstil, pointierte Formulierungen und zahlreiche überraschende Wendungen aus. Hinzu kommt, dass der Autor einst selbst Physik studierte und es versteht, sein Fachwissen mit leichter Hand in dieGeschichte einzubinden. Die Erzählung verliert sich nie in den großen, erschreckenden, politischen Dimensionen, in denen sie sich bewegt; Schülers Figuren selbst und auch ihre Handlungen bleiben immer irgendwo menschlich, ob im Guten oder Bösen.
Antje Zimmerman
Frau Faust (Piper)
Foto © Sybille Anneck
„Was für ein schöner Sommerabend, sagte sie leise zu sich selbst. Ein strahlend weißes Schwanenpaar setzte zum Landeanflug an. Um die beiden besser bewundern zu können, drehte sie sich um und lief ein
paar Meter rückwärts. Da sah sie ihn. Einen Mann…“
Der Prolog überzeugt die Leserin nicht gerade mit professionellem Stil und wohlgesetzten Worten. Aber man gibt dem Buch weiter eine
Chance. Schließlich ist der Titel „Frau Faust“ so schön vieldeutig und der Klappentext über eine fiese Bestsellerautorin
vielversprechend. Die Geduld wird belohnt:
„Was für ein Scheiß. So funktioniert das nicht. Alba Oster hieb auf die Tastatur ihres Computers. Verdammt. Das ist doch total
abgedroschen.“Ein Romananfang im Romananfang. Puh. Glück gehabt.
Die reale Autorin Antje Zimmermann führt den Leser manches Mal an der Nase herum und vermischt Fiktion mit Fiktion. Sehr passend für einen Kriminalroman über eine Bestsellerautorin. Die Figuren sind scharf gezeichnet. Hier das Opfer, die berühmte Clarissa Moor, schart zu Lebzeiten einen Kreis von Jüngerinnen und Jüngern um sich, um mit ihnen zu spielen. Dort die Ermittlerin Kata Sismann, eine ehemalige Boxerin, die ihren Kollegen schon mal machomäßig anraunzt („Du wirst ja wohl trotz Kinderparty die Zeit
haben, ein paar Artikel zu lesen.“), sich ihre Sexualpartner wie Brötchen im Selbstbedienungsladen holt und nach einer harten Nacht nur Wodka im Kühlschrank für ihren schmerzenden Schädel findet.
Zimmermann bietet mehrere Wege zur Lösung des Falles an, die alle möglich erscheinen, und überrascht die Leserin dann doch mit der Auflösung. Ein gut konstruierter Krimi mit starken Frauenfiguren.
Für den GLAUSER-Preis 2023 konnten bis zum 30. November 2022 deutschsprachige Kriminalromane von Verlagen eingereicht werden, deren Erscheinungstermin zwischen Dezember 2021 und November 2022 lag (Originalausgaben).
Jury:
Laura Noll, Nina Röttger, Günther Thömmes, Sabine Trinkaus, Ingrid Werner und Marc-Oliver Bischoff (Jury-Organisation)
(Die Aussschreibungen für das Jahr 2024 finden Sie hier.)
Preisträger des GLAUSER 2022 in der Kategorie "Debütroman"
Preisträger des GLAUSER 2022 in der Kategorie "Debütroman":
Eberhard Michaely:
Frau Helbing und der tote Fagottist.
Kampa Verlag
Foto © Heike Schröder
Begründung der Jury:
„Frau Helbing war gut gelaunt. Nicht wegen des Wetters. Heute würde es regnen. Das konnte sie unschwer an den dicken Wolken erkennen, die tief über den Dächern der Hansestadt hingen. Aber sie würde gleich nach dem Frühstück Herrn von Pohl das Fagott zurückgeben können.“
Man verrät nicht zu viel, wenn man sagt: Frau Helbing wird Herrn von Pohl sein Instrument nicht zurückgeben. Denn Herr von Pohl ist der im Titel erwähnte tote Fagottist. Wie es dazu kam, wer es war und worum es hier eigentlich geht, das erzählt Eberhard Michaely in seinem Hamburger Krimidebüt wunderbar lakonisch, sympathisch und weitgehend unblutig – auch wenn die „Waffen“ der Frau Helbing, dieser pensionierten Fleischereifachverkäuferin und Metzgerswitwe ohne Vornamen, so gefährlich klingende Bezeichnungen wie „Ausbeinmesser“, „Schweinespalter“ oder „Schlachtmesser“ tragen.
Frau Helbing liest gerne Krimis, ist neugierig und wagt auch mal etwas: zum Beispiel ins Konzert gehen, obwohl sie das noch nie gemacht hat. Zum Beispiel am hellichten Tag Caffè Macchiato mit Croissant bestellen, einfach so. Zum Beispiel einen Todesfall untersuchen, den alle für die tragische Folge eines allergischen Schocks halten. Alle eben außer Frau Helbing, die hier böse Absicht, ja gar Mord wittert. So klärt sie das plötzliche Ableben des über ihr wohnenden Fagottisten auf, denn immerhin ist das ja auch ihre „Hood“, für die sie sich ein bisschen verantwortlich fühlt, das hanseatische Grindel-Viertel, in diesem im besten Sinne betulichen und unaufgeregten Hamburg-Krimi. Und wenn ihr das alles zu gewagt erscheint, sagt sie sich: „Heute lass ich mal fünfe gerade sein.“
Was die Lektüre außerdem so vergnüglich macht: die Sprache ist nie gewollt witzig, krampfhaft auf Pointe geschrieben oder anbiedernd. Wenn sich Frau Helbing über die seltsamen Dinge des alltäglichen Lebens wundert, zum Beispiel, dass junge Frauen heutzutage „Shoppen“ als Hobby angeben, tut sie das eben genauso, wie auch wir das tun würden. Dazu gibt es wunderbare Nebenfiguren wie eine cholerische Kommissarin namens Schneider und einen klugen Schneider namens Herr Aydin.
Dabei ist Frau Helbing keine Miss Marple, und Mord wird auch vielleicht nie ihr Hobby werden, aber es ist schön zu wissen, dass sie weiter macht, denn inzwischen ist bereits der dritte Fall für die passionierte Krimileserin erschienen.
Frau Helbing ist eine von uns – eine, bei der man gleich sagt: die kenn ich doch! Die trifft man beim „Einholen“ bei Budni (für Nicht-Hamburger: legendäre hanseatische Drogeriemarktkette in Familienhand), auf dem Ise-Markt oder im „Fünfer“-Bus, Hoheluftchaussee. Und Hamburger wissen auch: bei Magenproblemen, nach schwerem Essen - oder Mord - hilft immer ein „Helbing“, der bekömmliche, feine Kümmelschnaps, stolz gebrannt seit 1836, ganze 35 Prozent stark, ehrlich und klar. Wie Frau Helbing.
Außerdem nominiert waren:
- Marcel Häusler: Kant und der sechste Winter. Heyne Verlag
- Sarah Nisi: Ich will dir nah sein. Verlag btb
- Johann Palinkas: Coup. Benevento Verlag
- Eric Sander: Die letzte Wahl. Luebbe Verlag
Für den GLAUSER-Preis, den Autorenpreis deutsche Kriminalliteratur 2022, konnten bis zum 30. November 2021 deutschsprachige Kriminalromane von Verlagen eingereicht werden, deren Erscheinungszeitraum zwischen Dezember 2020 und November 2021 lag (Originalausgaben).
Die Jury war:
Ina Coelen, Sabine Weiss, Cord Buch, Volker Bleeck, Erwin Kohl und Marc-Oliver Bischoff (Jury-Organisation)
(Die Aussschreibungen für das Jahr 2023 finden Sie hier.)