2021 05 23 Drehbuch quadrat 00 Kopie"Werkzeuge des Drehbuchschreibens"

Robert Krause und Florian Puchert, die erfolgreichen Autoren und Professoren für Creative Writing an der Hochschule für Fernsehen und Film München bieten im folgenden Artikel den SYNDIKATlern einen Einblick in Tools und Handwerk des Drehbuch-Schreibens. 

 

 

CLUB 23

WERKZEUGE DES DREHBUCHSCHREIBENS

Das Drehbuchgeschäft boomt: Seit der Streaming-Revolution und dem Vormarsch der Mediatheken wird der Stoffhunger größer und größer. Produzenten und Sender suchen dringend fähige Drehbuchautoren*innen.

Doch in Deutschland erscheint Drehbuchschreiben immer noch wie eine geheimnisvolle, hermetische Kunst. Im Netz kann man sich vor Tipps und Tricks zum US-Drehbuchmarkt kaum retten, aber Einblick in die Arbeit der heimischen Drehbuchautoren*innen gibt es kaum. Die Ausbildung findet in erster Linie an Filmhochschulen in Studiengängen mit extrem begrenzter Teilnehmerzahl statt.

Ist Drehbuchschreiben eine elitäre Kunst, die sich nur wenigen Auserwählten erschließt? 

Wir sind überzeugt, dass das nicht so ist. Klar muss man ein Talent zum Schreiben und ein Grundverständnis für Film und Serie mitbringen. Doch die Struktur, die Erzählweise und auch die weitere Stoffentwicklung – all das ist keine arkanes Geheimwissen, sondern Handwerk. 

Im Folgenden stellen uns Robert Krause und Florian Puchert, beide Drehbuchautoren und Professoren für kreatives Schreiben, ein paar praktische Tipps vor, die ihnen und den Teilnehmern*innen ihrer Seminare beim Drehbuchschreiben das Leben leichter gemacht haben…

Am Ende dieser Einführung gibt es Hinweise zur Club23-Schreibschule der beiden.

Schreib los!

So wichtig es ist, dich mit den Grundzügen der Drehbuchdramaturgie vertraut zu machen, Filme und Serien zu analysieren und Drehbücher zu lesen, so wenig nutzt es dir, diese Theorie bis in den letzten Winkel zu studieren, ohne konkret zu schreiben. 

Denn am Ende ist die praktische Schreiberfahrung das, wobei du am meisten lernen wirst. Über den Stoff. Deine Figuren. Und über dich.

Es ist richtig, dass du nicht ohne jegliche Dramaturgie-Kenntnisse und Plan loslegen solltest. Ein Blindflug hilft nicht weiter. Aber wenn du die nachfolgenden Tipps beherzigst, dann wird es bald Zeit auch wirklich etwas zu Papier zu bringen: 

Schreibe deine Story! Egal, ob als kurze Ideenskizze, als Treatment oder schon als Drehbuch. Je mehr du schreibst, desto mehr wirst Du lernen.

Drehbücher entstehen in Schichten

Die gute, wie auch schlechte Nachricht dabei: Drehbücher entstehen in Schichten. Niemand, auch nicht die erfahrensten Autoren*innen schreiben eine Fassung und sind fertig. Drehbücher entstehen Schicht für Schicht, Fassung für Fassung.

Dabei ist es völlig normal, dass das Drehbuch für einen Spielfilm 4-8 Fassungen durchläuft, bevor es gedreht wird. Und davor gab es meist mehrere Fassungen von Exposés, Outlines oder Treatments und unzählige Stoffgespräche.

Das mag abschreckend klingen. Aber es hat auch einen großen Vorteil: Du musst bei einem ersten Entwurf nicht perfekt sein! Denn du wirst weiter an deiner Geschichte arbeiten und sie Schicht für Schicht freilegen. Doch um überhaupt in diesen Prozess zu kommen, musst du den ersten Schritt wagen und deine Story in einer ersten Form aufschreiben. Und dafür ist der nächste Tipp essentiell…

Überwinde die innere Kritiker*in

Fürs Drehbuchschreiben benötigst du neben einer guten Planung eine ordentliche Portion „Einfach mal machen“-Attitüde. Eine Grundeinstellung, die wir in Deutschland schon in der Schule abtrainiert bekommen. Wir sind ein Volk der Kritiker*innen und Analytiker*innen, die bestehende Werke auseinandernehmen. Aber als Kritisierende können wir nicht schreiben. Schreiben können wir nur als inspirierte Macher*innen.

Insofern ist es immer wieder wichtig nach der Phase der Stoffplanung, die inneren Kritiker*in hinter sich zu lassen. Denn in der Schreibphase musst du dich vorwärtsbewegen, einmal durch deinen Stoff hindurch, trotz aller Sorgen und Zweifel. Denn erst, wenn du einmal „Ende“ hinter deine Geschichte geschrieben hast, wirst du sinnvoll an deinem Stoff weiterarbeiten können. An einer schiefen ersten Fassung kann man arbeiten. Ohne erste Fassung, bleibt alles reine Theorie.

Dein persönlicher A-Plot ist: Die Story zu Ende zu schreiben. 

Und die innere Kritiker*in wird dabei dein größter Antagonismus sein: Die Stimme, die alles hinterfragt. Die dir einredet, dass du nichts kannst, dass deine Geschichte nicht funktioniert und du mit dem Schreiben für immer aufhören solltest.

Diese Stimme verstimmt übrigens nie ganz. Bei keiner Drehbuchautor*in, die wir kennen. Aber mit der Zeit, bekommt man mehr Übung, sich nicht von dieser Stimme einschüchtern zu lassen.

 

Schreibe dramatisch!

Das klingt erstmal furchtbar banal. Klar, Filme und Serien leben vom „Drama“. Wenn du dir den Kern hinter dieser Aussage aber wirklich bewusst machst, wird es deine Geschichten auf ein völlig neues Niveau heben.

Im Leben vermeiden wir Konflikte. Doch als Autoren*innen müssen wir den Konflikt aktiv suchen. In jeder einzelnen Szene. Das gilt durchaus auch für Prosa-Autoren*innen. Im Drehbuch jedoch hat diese simple Regel einen noch größeren Stellenwert: Denn wir können nicht in die Gedankenwelt unserer Figuren eintauchen. Wir müssen das Innere der Figuren durch HANDLUNG veräußerlichen. Und Handlungen verraten eben dann etwas über eine Figur, wenn die Figur unter DRUCK handelt. Etwas zu verlieren hat. Wenn sie eine dramatische Entscheidung treffen muss.

Das hat Robert McKee in seinem Mammutwerk STORY wunderbar auf den Punkt gebracht:

„Der wahre Charakter offenbart sich in den Entscheidungen, die ein Mensch unter Druck trifft – je größer der Druck, desto tiefgreifender ist die Enthüllung, desto mehr entspricht die Entscheidung dem innersten Wesen der Figur“*

Die Hauptfigur der Szene muss also unter Druck eine dramatische Entscheidung treffen.

Am besten gelingt dies, wenn du die Hauptfigur mit einem klaren, messbaren ZIEL in die Szene schickst. Doch in der Szene trifft sie dann auf einen WIDERSTAND. Einen ANTAGONISMUS. Etwas, das sich ihrem Ziel in den Weg stellt und sie zu einer Entscheidung zwingt. Die Szene ist zu Ende, wenn die Hauptfigur der Szene ihr Ziel entweder erreicht hat oder aber daran scheitert.

So entsteht KONFLIKT – Der Treibstoff jeder Geschichte.

Kenne die Struktur deiner Geschichte

Bevor du mit dem Szenenschreiben loslegst, solltest du dir einen PLAN machen. 

Wo geht die Reise deiner Charaktere hin? 

Genau wie in der einzelnen Szene, musst du dich fragen – „Was ist das messbare, äußere ZIEL, das deine Protagonistin in deinem Drehbuch verfolgt?“ Denn dieses Ziel zusammen mit den WIDERSTÄNDEN, die sich gegen ihr Ziel stellen, sind der dramatische Motor deiner Story. Aus diesem Grundkonflikt wird sich am Ende der Großteil deiner Handlung speisen.

Natürlich sollte diese äußere Handlung auch etwas mit dem Inneren deiner Figur anstellen. Denn am Ende ist das emotionale Innenleben deiner Figur, das was uns an dem Stoff fesselt. Die nächste Frage, die du dir beim planen deiner Geschichte stellen solltest ist deshalb: „Wie verändert sich meine Figur innerlich, WEIL sie ihr ÄUSSERES ZIEL verfolgt?“

WIE du die Reise deiner Figur erzählst, ist beim Drehbuchschreiben enorm wichtig. Die Erzählstruktur bestimmt den Rhythmus deiner Story. Sie erzeugt Spannung, stellt dem Zuschauer Fragen, führt ihn aufs Glatteis, überrascht und überwältigt ihn. 

Du solltest dich deshalb mit dem Prinzip der Drei-Akt-Struktur vertraut machen. Genauso hilft es, sich ein wenig mit der „Reise des Helden“ zu beschäftigen. Und auch die 8-Sequenz-Struktur (Paul Joseph Gulino – Screenwriting: The Sequence Approach) hat sich für uns als nützliches Werkzeug erwiesen. Präzise zusammengefasst gibt es dieses Grundwissen auch in dem deutschsprachigen Buch „Die Kunst des Drehbuchlesens“ von Oliver Schütte.

Keine dieser Strukturlehren beinhaltet eine „Zauberformel“ für die perfekte Geschichte. Aber sie alle bieten wichtige Impulse und stellen fundamentale Fragen an dich und deine Geschichte.

Gib dir selbst Struktur

Bei der Schreibarbeit nützt dir nicht nur die Erfahrung schon öfter Geschichten von Anfang bis Ende durchgeschrieben zu haben, hier hilft vor allem eine gute Arbeitsstruktur. Denn die These, dass Kreativität kommt und geht, wann sie will, stimmt nur bedingt.

Wenn dem so wäre, könnte keine Drehbuchautor*in je eine Abgabefrist einhalten. Natürlich ist es richtig, dass man nicht jeden Tag inspiriert vor dem Computer sitzt und völlig befreit losschreibt. Es gibt immer Tage, an denen es weniger gut läuft. Aber mit einer festen Schreibstruktur trainierst du deine Kreativität: Du gibst ihr einen festen Zeitrahmen, in der du sie abrufst. Und daran gewöhnt sich deine Kreativität. Du konditionierst dich selbst.

Wenn du dich an deine Arbeitsstruktur hältst, wirst du wie bei jedem anderen Training bald erste Erfolge sehen!

Auch Robert und ich arbeiten täglich mit festen Schreibzeiten, die wir auf unsere verschiedenen Projekte aufteilen. So können wir das Drehbuchschreiben wie einen „normalen“ Job angehen, ohne ständig Nächte durchzuarbeiten.

Mache dir dabei einen realistischen Plan, wie viel Zeit du in der Woche fürs Schreiben verwenden kannst und willst. Plane die Länge und Häufigkeit deiner Schreibphasen lieber etwas pessimistischer – damit du sie dann aber auch zuverlässig wahrnehmen kannst. Du wirst erstaunt sein, wie weit man oft schon in einer konzentrierten halben Stunde vorankommt.


Online-Seminartipp:

Die Drehbuchautoren und Dozenten Robert Krause und Florian Puchert bieten Onlinekurse, die Video-Masterclass und digitales Workbook in einem sind: Du erlernst die Geheimnisse guter Spielfilm-Dramaturgie und schreibst gleichzeitig DEINEN Film.

Mache deinen Einstieg mit TREATMENT IN 5 TAGEN hier: club23.de 


* Robert McKee. Story. Die Prinzipien des Drehbuchschreibens. (dt. Übers. von Eva Brückner-Tuckwiller, Josef Zobel und Katharina Broich), Alexander Verlag, 2. korrigierte