Liebestöter
Alma Bayer


ISBN 978-3-4427-1712-5

10,– € [D]

Vitus Pangratz, Kommissar AD, und seine Tochter Johanna "Jo" Coleman ermitteln in ihrem zweiten Fall: In der beschaulichen Rosenheimer Altstadt wird eine Coaching-Agentur für selbstbewusste und erfolgreiche Frauen eröffnet. Das gefällt nicht jedem. Als jedoch ein Mordanschlag auf die "Weiberheldin"-Inhaberin Marina Pfister verübt wird, stellt sich heraus, dass diese unter der Ladentheke auch noch ganz andere aufmunternde Dinge an die Frau brachte. Ein Grund, sie mundtot zu machen?

Alma Bayer

Alma Bayer war lange in der Welt unterwegs, um am Ende wieder dort zu landen, wo für sie alles angefangen hat: in Oberbayern. Ihr Beziehungsstatus in Sachen Heimatliebe ist trotzdem kompliziert. Wer ihre Rosenheim-Krimis "Wildfutter" und "Liebestöter" liest, ahnt wieso. Bayern übertreibt alles, von der Naturschönheit bis hin zur Persönlichkeit. Dabei balancieren Land und Leute auf einer dünnen Linie zwischen Witz, Wahnsinn und Wahrhaftigkeit. Alma Bayer spinnt daraus wilde Geschichten und schreibt sie auf. Das Schreiben hat sie unter ihrem echten Namen lange geübt: 15 Jahre als Journalistin und Sachbuch-Autorin. Nur eines macht sie genauso gerne wie schreiben: lesen. 

 

 

Liebestöter ist die Empfehlung der Woche der SYNDIKATs-Redaktion vom 14. bis 20. September 2020. 

Hier nachlesen: Gewinnspiel, Interview mit der SYNDIKATS-Redaktion, Leseprobe

Rezensionen

Alma Bayer denkt sich Morde für uns aus.?So, dass es eine Freude ist, sich an den Abgründen der anderen zu weiden. Und doch schimmert bei jeder ihrer Figuren die Sehnsucht nach Liebe durch. Und das macht ihre Bücher für mich so besonders. Weil wir erahnen, dass die Bösen in Almas Geschichten gar nicht so böse wären und das Morden vielleicht sogar bleiben ließen, wenn wir LeserInnen sie hin und wieder in die Arme nehmen dürften.

Uli Brée (»Vorstadtweiber«) 

Wortwitz und Situationskomik sind grandios.

Goslarsche Zeitung

Gewinnspiel

Die Gewinnspielfrage lautet:

Wie nennen die Bayern liebevoll und gleichzeitig verächtlich den Tod?

Unter den richtigen Einsendern wird ausgelost: Band 1 „Wildfutter“ und Band 2 „Liebestöter“ der Rosenheim-Krimis von Alma Bayer. Lösungen bitte bis 30. September 2020 hierhin mailen.

Ein paar Fragen der SYNDIKATS-Redaktion an Alma Bayer:

Warum bist du im SYNDIKAT?

Ich wollte im selben Club wie die Großen sein: Ingrid Noll, Bernhard Aichner, Friedrich Ani, Frank Schätzing, und Simone Buchholz.

Du wurdest nach deinem Erstling „Wildfutter“ mit Rita Falk verglichen. Zu Recht?

Was mich mit Rita Falk verbindet, sind der Humor und der Zugang zu den bayerischen Charakteren. Aber unsere Protagonisten sind Gegenpole: Franz Eberhofer ermittelt in Niederbayern und somit in einer ganz anderen Welt als Jo Colemann und Vitus Pangratz, die sich im vergleichsweise glamourösen Rosenheim durchschlagen. Auch charakterlich unterscheiden sich unsere Helden sehr: Anders als der niederbayerische Eberhofer, wollen Jo und Vitus mehr vom Leben als Ruhe und Leberkäs. Die Rosenheimer wollen Liebe, Leidenschaft und Rock’n’Roll. 

Dein Lieblingswort? 

Gspusi (Affäre), Bazi (Schelm), Graffe (Zeug), Gfui (Gefühl), Kracherl (Limonade), griabig (mehr als gemütlich), hutschen (schaukeln)... der bayerische Dialekt ist für mich voller Lieblingswörter, weil sein Sound auf Humor und Gefühl fährt. Vergleichbar mit einem tiefergelegten Opel Manta nimmt das Bayerische dabei jede Bodenwelle mit.

Dein Lieblingsgetränk?

Während sich Trendsetter längst von ihm abgewendet haben, werde ich ihm voraussichtlich ewig die Treue halten: dem Aperol Spritz. Außerdem bin ich eine Bierpantscherin, weil Weißbier gemischt mit Zitronenlimo besser schmeckt als ohne. 

Dein Lieblingskollege/Lieblingskollegin? 

Ich liebe die Frankfurt-Krimis vom unsterblichen Jakob Arjouni. Sein Privatdetektiv Kemal Kayankaya gehört für mich zu den lässigsten und liebenswertesten Ermittlern in Deutschlands Krimilandschaft. Dicht gefolgt von der Hamburger Staatsanwältin Chastity Riley, mit der die Autorin Simone Buchholz eine Heldin erschaffen hat, die sich mit dem Leben die Kante gibt. Und ich genieße die Sprache von Simone Buchholz. Jedes Wort atmet Sankt Pauli, schlägt zu, trifft die Magengrube und das Herz.

Dein Lieblingsmord? 

Morde machen mir Angst. Ich hasse Gewalt und Hinterlist. Trotzdem habe ich einen Mordsspaß am Krimi schreiben. Wahrscheinlich, weil ich die unheimlichen, wahnwitzigen und rührenden Gestalten darin aufräumen kann, die in Bayern unterwegs sind. Der selbstgerechte Bazi klopft beim Schuhplatteln den Dreck von seiner Lederhose und lässt sie glänzen. Was wie harmlose Folklore wirkt, ist in Wahrheit das bayrische Pendant zum Haka, dem Kriegstanz der Maori. Nicht umsonst ist in einer richtigen Lederhose ein Fach fürs scharfe Hirschmesser eingenäht.  

Was passiert als nächstes?

Der Nachfolger von Wildfutter und Liebestöter. Ich freue mich, dass Jo Coleman und Vitus Pangratz weiterermitteln dürfen und schreibe gerade fleißig daran. Den beiden bleibt nichts erspart.

Leseprobe

Die Perücke, die Seidenbluse und der Silikonbusen verursachten ihm ein Problem. Wo sollte er sich unbemerkt verkleiden? Sein Zuhause schied aus. Zu groß war die Gefahr von seiner Gattin oder den Nachbarn entdeckt zu werden. Die Möchtegern-Paparazzi von vis-à-vis würden argwöhnen, er wäre seine eigene Affäre. Sie lauerten täglich auf einen Fehltritt seinerseits, weil sich in ihrem eigenen Leben nichts bewegte, abgesehen von den strahlendweißen Gardinen. Dieses peinliche Pärchen würde sofort die örtliche Presse informieren, wenn man das Onlineportal Rosenheim-News so nennen wollte. »Hinterfotzige Bagage!«, schimpfte er. »Freibierlätschen!« Selbstverständlich klang das bei zufälligen Begegnungen in der Nachbarschaft oder der City anders: »Servus! Habe die Ehre! Endlich sieht man sich mal wieder!« Nein, besser man sah sich nicht. Genauer: Besser sie sahen ihn nicht. Zuhause konnte er unmöglich seinem Plan folgen. Zuhause konnte er sich unmöglich in eine Frau verwandeln. In eine Frau, die zu allem entschlossen war und zu allem bereit. Eine Frau wie sie. Marina Pfister. Die Teufelin mit der Engelszunge.

Sein erster Versuch führte ihn zur Autobahnraststätte Holzkirchen, zwischen München und Salzburg. Unglücklicherweise traf er hier auf Bekannte, die wissen wollten, warum er mit seiner alten abgenutzten Eishockeytasche unterwegs war. 

»Willst an frühere Erfolge anknüpfen oder hat sie dich rausgeschmissen, deine Oide?« 

Das sollte »seine Alte« versuchen, ihn rauszuschmeißen. »Schmarrn!«

»Jetzt sag schon! Haust ab? Magst nimmer, wird dir ois z’vui?« 

Ihm alles zu viel werden? Sie ahnten nicht, wie recht sie damit hatten, trotzdem behauptete er das Gegenteil: »Uns Bayern haut so schnell nichts um. Gell!«

»Ja, sowieso!« 

»Mia san mia!« 

»Aber warum bist jetzt mit der Tasche unterwegs? Triffst dich mit deinem Gspusi, deiner Geliebten?«

»Jetzt reicht’s aber!«

»War doch bloß a Gaudi!« 

Eine Gaudi? Spaß stellte er sich anders vor als seine durchschnittlichen Mitmenschen, die für alles eine Erklärung brauchten und trotzdem nichts verstanden. Er log unter dem Mantel der Ehrlichkeit: »Offen gesagt, also nur unter uns: Ich wollte mich mal wieder ungesehen aufs Eis wagen. Ich muss doch fit bleiben.« 

»Ja ihm schau an! Nichts für ungut!« 

»Servus, oide Wurschthaut!« 

Genervt und unverrichteter Dinge pfefferte er die Eishockeytasche mit seiner Damenausstattung zurück in den Kofferraum.

Anschließend erwog er ein Hotel. Doch dort wurden persönliche Daten erfasst und außerdem, wie sollte er anreisen? Mit seinem Wagen? Unmöglich! Wer ihn kannte, kannte auch sein Auto, sein Haus und seine Frau. Wenn es um statusprägende Symbole ging, wusste jeder in Rosenheim, wo sie hingehörten. Die drittgrößte oberbayrische Stadt war ein Dorf mit übersichtlicher Ordnung und klarer Hierarchie: die Wichtigen oben und die Unwichtigen weiter unten. Wer aufsteigen wollte, musste Opfer bringen. Er fühlte sich seit langem zu Höherem berufen und war bereit zu tun, was nötig war.

Letztendlich hatte er die ideale Garderobe für seine Zwecke gefunden. Sie hatte sich bei der morgendlichen Zeitungslektüre präsentiert, in den Kleinanzeigen des Rosenheimer Volksblatts. Ein Wink von oben. Der Allmächtige war auf seiner Seite. Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. Er schloss die Jalousien seines perfekten Verstecks. Dann öffnete er in Zeitlupe den Reißverschluss seiner Tasche und sah den Metallzähnen zu, wie sie sich voneinander lösten. Aus ihrem riesigen Maul entließen sie den Schweißgeruch der Vergangenheit. Kurz dachte er an seine Zeit bei den legendären Rosenheimer Starbulls. Wo früher der Tiefschutz und das Trikot mit dem roten Stierkopf ihren Platz hatten, lag heute ein schwarzer Spitzen-BH mit geräumigen Körbchen. Darunter verbargen sich fabelhafte Silikonkissen in Tropfenform mit wohlgeformten Brustwarzen. Er drückte sie und genoss das Gefühl. Beinahe echt, nur besser. Jedenfalls besser als zuhause. Wenn er sich richtig erinnerte. Es war lange her, dass er seine Frau privat angefasst hatte.

In wenigen Minuten würde er attraktiver aussehen als sie. Er packte die braune Langhaarperücke aus, das Make-up, die Handschuhe und das Seil. Seine Hände zitterten. Er hatte lange gezögert, bevor er sich zu dieser radikalen Konsequenz entschieden hatte. Jetzt gab es kein Zurück mehr.

»Sammle dich! Konzentriere dich! Übe dich in Entschlossenheit!« Seine Stimme rutschte ab. Jetzt nur nicht wanken, nur nicht weich werden. Er schlug sich eine Watsche ins Gesicht. Und dann noch eine, auf die andere Wange. »Ich kann, was immer ich will! Ich kann, was immer ich will!« Und noch lauter: »ICH KANN, WAS IMMER ICH WILL!« Er war ein bayrischer Löwe. Ein König unter den Tieren, die sich als seine Mitmenschen ausgaben. Und er war bereit für den Tod.

»ICH KANN, WAS IMMER ICH WILL!« Er streichelte über das lange Haar seiner Perücke und schaute in den Spiegel. »So ein schöner Boandlkramer!«, lobte er sich. Boandlkramer, Knochenhändler, so nannten die alten Bayern den Tod. »Boandl«, kürzte er liebevoll ab und blies sich eine Strähne aus dem Gesicht. Der Boandl trug heute ein Frauengewand mit prallem Silikonbusen in Tropfenform. Das passende Kostüm für die Abschiedsvorstellung.