Die Frau im roten Mantel
Günter Neuwirth

Gmeiner Verlag


ISBN 978-3-8392-2145-7

13,– € [D], SFr. 19,50 [CH], 13,40 € [A]
Nachts am winterlichen Donaukanal inmitten von Wien. Inspektor Wolfgang Hoffmann bemerkt in der Straßenbahn eine rätselhafte Frau, die offenbar von einem Jugendlichen verfolgt wird. Der eigentlich beurlaubte Inspektor fürchtet um ihre Sicherheit und folgt den beiden. Schon bald tauchen Fragen auf. Wozu trägt die Frau einen Revolver bei sich? Was will der Jugendliche von ihr? Es gibt nur einen Weg, um Antworten zu finden. Hoffmann muss in die dunkle Geschichte der Frau im roten Mantel eintauchen.
Günter Neuwirth

© Rudi Ferder

Günter Neuwirth

Günter Neuwirth, geb. 1966, wuchs in Wien auf. Nach einer Ausbildung zum Ingenieur und dem Studium der Philosophie und Germanistik zog es ihn für mehrere Jahre nach Graz. Heute wohnt er in Wien und in der Weststeiermark. Der Autor ist als Informationsarchitekt an der Technischen Universität Graz berufstätig.

Günter Neuwirth ist Autodidakt am Piano und trat während des Studiums in Wiener Jazzclubs auf. Eine Schaffensphase führte ihn als Solokabarettist auf zahlreiche Kleinkunstbühnen. Seit 2008 publiziert er Romane, vornehmlich im Bereich Krimi.

Empfehlung der Woche

Die Frau im roten Mantel ist die Empfehlung der Woche der SYNDIKATs-Redaktion vom 16. Oktober 2017.

Kritikerstimmen

Ab jetzt wird es ein rasanter Krimi, dessen Spannung nicht nur von der Suche nach dem Täter/der Täterin lebt, sondern auch (besser: vor allem) von der wirklichkeitsnahen und treffsicheren Charakterisierung der Figuren. Es beeindruckt, wie Günter Neuwirth in diesem einen Roman so viele ganze Leben(släufe) erschaffen kann. PS: Der dritte Roman von Günter Neuwirth, den ich lese, und der dritte, der mir ausnehmend gut gefallen hat.
Andreas, www.literaturblog.at

Der Roman besticht durch einen überaus raffinierten Plot, gut platzierte überraschende Wendungen, interessante Charaktere, einen kniffligen Kriminallfall und eine überraschende sowie faszinierende Auflösung.
Jennifer B. Wind, www.woman.at

Günter Neuwirths Roman ist ein Lichtblick in der österreichischen Literaturlandschaft. Ein Roman, der das Prädikat literarischer Krimi wahrhaftig verdient. Unterhaltung auf hohem Niveau.
Wilhelm Kuehs, Blogspot

Drei Fragen an Günter Neuwirth

Wann begann Ihre kriminelle Laufbahn?
Wie alle Menschen bin ich sündhaft und böse geboren, und zur Sünde und zum Bösen bekenne ich mich, also begann die kriminelle Laufbahn schon bei der ersten Zellteilung.

Wie viele Verbrechen gehen auf Ihr Konto?
Zahlreiche und in ihrer Natur niederträchtige noch dazu. Um sie alle aufzuzählen, bin ich angetreten, viele Romane zu schreiben.

Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen?
In Wahrheit gar nichts, möge das Schicksal über mich richten und dabei die Klinge blankziehen.

Leseprobe

Mittwoch

  1. 1. SZENE
„Das werde ich dir heimzahlen! Bare Münze.“
Alice Berg stand in der Tür. Ihr Blick verlor sich in den dunklen Ecken des geräumigen Zimmers. Sie hasste diesen Geruch.
„Da kannst du Gift darauf nehmen.“
Alles konnte Alice ausblenden, Lärm, Geschwätz, nervtötende Musik in Kaufhäusern, grelles Licht, die Gesichter der vielen Menschen auf Bahnhöfen oder in Fußgängerzonen. Alles einfach wegschalten. Sie hatte diese Lektion in ihrem Leben gelernt, es sogar zu einer stillen Meisterschaft darin gebracht. Eine Stärke des Geistes, eine Tugend, eine Überlebensstrategie. Alles weg außer eines: Gerüche! Das hatte sie nie geschafft. Gerüche bohrten sich in ihren Kopf. Konnte das Gehirn überhaupt riechen? Man roch doch mit der Nase. Was hatte das Gehirn mit Gerüchen zu tun? Alice dachte angestrengt darüber nach. Es fielen ihr keine Antworten ein. Ihr Gehirn versagte jeden Dienst. Sie wusste warum. Wegen des Geruchs. Hildegards Geruch.
„Wo ist Jürgen?“
Alice Berg hörte die alte Frau nicht, sie hörte das endlose Gekeife, die fortwährenden Vorwürfe, die schlechten Launen einfach nicht. Viel schlimmer. Sie roch sie. Sie musste fort von hier. Auf dem schnellsten Weg.
„Alice, verdammt noch mal, hör mir endlich zu! Ich verlange eine Antwort!“
Bestimmt gab es auf der Welt einen Ort, an dem sie glücklich sein konnte. Es musste ein luftiger Ort sein. Ein hoch gelegenes Bergtal im Wallis. Eine Palmeninsel in einem pazifischen Atoll. Eine stille Finca auf den Kanaren inmitten eines weitläufigen Pinienwaldes.
„Wo ist Jürgen? Wo ist mein Sohn?“
Alice löste sich langsam aus ihren Gedanken und schaute zum breiten Bett, auf dem Hildegard seit drei Jahren lag und starb. Würde die alte Hexe endlich ans Ziel kommen! Die Möbel müssten natürlich verschwinden, der Raum neu gestrichen und die Vorhänge verbrannt werden.
„Wo sind die Kinder?“
Alice seufzte.
„Das habe ich dir doch erklärt. Unzählige Male schon.“
„Du hast mich angelogen!“
„Nein.“
„Du lügst, sobald du nur den Mund aufmachst.“
„Nein.“
„Du hast Jürgen ermordet!“
Alice sagte nichts. Wozu sollte sie auch? Seit Jahren ging das nun schon in dieser Tonart. Welche Sünden hatte sie sich in ihren früheren Leben zuschulden kommen lassen?
„Gute Nacht, Hildegard.“
Alice knipste das Deckenlicht aus und schloss die Tür hinter sich. Sie wusste nicht, ob die alte Frau ihr noch etwas hinterher rief, ob sie wieder schimpfte, wieder mit absurden Vorwürfen um sich warf. Langsam schritt sie die Treppe hinab. Der Teppich schluckte jeden Tritt. Sie hatte gelernt, sich in diesem großen alten Haus still zu bewegen. Ein Gespenst auf den Treppen. Nur gerade so viele Lichter waren eingeschaltet, um nicht zu stolpern. Stille und Dunkelheit. Fort. Fort von hier. Alice stand in der Küche und schaute in den finsteren Garten hinaus. Nur wenig Schnee lag auf der Wiese und den Ästen der Tannen.
Draußen war die Kälte. Draußen war das Leben. Wo war sie?