Der oder die PreisträgerIn 2024 wird am Samstag, den 18. Mai 2024, im Rahmen der Criminale in Hannover verkündet und geehrt.
Nominierte für den GLAUSER-Preis 2024 in der Kategorie "Kurzkrimi":
(in alphabetischer Reihenfolge)
Franziska Henze: Grenzerfahrung. In: Tatort Nord 2 - Urlaubskrimis von Helgoland bis Usedom (HarperCollins)
Rita M. Janaczek: Gabriel und die Frau in Schwarz. In: Gabriel und die Frau in Schwarz (Machandel)
Christian Kuhn alias Fynn Jacob: Pakjesavond, Tatort: Amsterdam. In: Tatort Weihnachten - Weihnachtskrimis mit Rezepten (Penguin Random House)
Sunil Mann: Old School. In: MordsSchweiz 2 (Gmeiner)
Roland Spranger: Malaise. In: Jugendstil und Heinerblut - Kriminelle Geschichten aus Darmstadt (KBV)
Franziska Henze (Foto © Roman Henze)
Grenzerfahrung
In: Tatort Nord 2 - Urlaubskrimis von Helgoland bis Usedom (HarperCollins)
Eine Frau checkt in genau dem Ostsee-Hotel ein, in dem sie vor über 30 Jahren auf der Flucht aus der DDR gestrandet ist.
Ein junger Mann hadert nicht nur mit seiner Kindheit in Ost- Waisenhäusern, sondern auch mit seinem Hotel-Job.
Als er realisiert, wer da plötzlich an der Rezeption steht, ändert sich alles. Eine dramatische Entwicklung findet ihren Höhepunkt auf dem Wasser und mündet in einem tragischen Ende.
Dank Franziska Henzes geschickter Perspektivführung sehen wir hilflos zu, wie sich zwei Leben aufeinander zubewegen. Ihr Schicksal ist eng verknüpft, beide fühlen sich betrogen, beide haben ihre eigene Wahrheit über das, was sich in der Vergangenheit zugetragen hat. Je bedrohlicher sich die Situation zuspitzt, desto mehr werden wir hineingezogen in einen Sog aus Hoffen und Bangen.
Rita M. Janaczek (Foto © Studio Almishots)
Gabriel und die Frau in Schwarz
In: Gabriel und die Frau in Schwarz (Machandel)
Ein hochintelligenter junger Mann arbeitet als Friedhofsgärtner, um seine inneren Dämonen unter Kontrolle zu halten. Bei seiner täglichen Arbeit begegnet er immer wieder der Frau in Schwarz.
Obwohl er die Gewaltfantasien fürchtet, die sie in ihm auslöst, fühlt er sich zu ihr hingezogen. Als er sich ihr nähert, kommt es zu einer dramatischen Entwicklung.
Sprachlich und fachlich versiert schafft die Autorin durch intensive Sprachbilder und Wortneuschöpfungen eine dichte Atmosphäre, zu der auch die Ich-Perspektive gekonnt beiträgt. Ungeschönt, stellenweise brutal teilt uns der psychisch kranke Protagonist seine Gefühle, Gedanken und Probleme mit und lässt uns tiefer in seine Welt eintauchen. Intensiver kann man an Ängsten nicht teilhaben.
Christian Kuhn alias Fynn Jacob (Foto © Random House: Jürgen Naber)
Pakjesavond, Tatort: Amsterdam.
In: Tatort Weihnachten - Weihnachtskrimis mit Rezepten (Heyne)
Am Pakjesavond, dem Vorabend von Sankt Nikolaus, ereignet sich ein dramatischer Autounfall. Zwei Kinder werden schwer verletzt. War es die Unachtsamkeit des Vaters oder die Schuld der Unfallgegnerin? Noch ein Jahr später steht das Leben der Kinder auf Messers Schneide. Um sie zu retten, sieht der Vater nur einen bizarren Ausweg.
Die Geschichte von Fynn Jacob führt uns in die Welt seelischer und körperlicher Qualen von Unfall-Verursachern und -Opfern sowie deren Angehörigen. Der Krimi berührt das Herz, schockiert aber gleichzeitig. Der souveräne Schreibstil unterstützt die spannende Handlung, die mit einem sensationellen Paukenschlag endet.
Sunil Mann (Foto © Eke Miedaner )
Old School
In: MordsSchweiz 2 (Gmeiner)
Zürich im Jahr 2038. In einer dystopischen Welt werden Spermien optimiert, Krankheiten und Missbildungen ausgemerzt.
Ein lesbisches Paar erzieht ein behindertes Kind und erlebt den gesellschaftlichen Abstieg.
Je mehr die sozialen Kontakte abnehmen, umso schwieriger wird ihre partnerschaftliche Beziehung. Als die psychische Belastung unerträglich wird, fällt eine Entscheidung mit verheerendem Ausgang.
Der Autor entwirft eine Zukunftsvision, die uns schaudern lässt. Ein bedrückender Überwachungsstaat glaubt, durch Manipulation die Welt verbessern zu können. Es entsteht ein neues gesellschaftliches Wertesystem, das von Perfektion und Unfehlbarkeit bestimmt wird und zum Verlust fundamentaler Gefühle führt.
Mit ihrer anklagenden und drängenden Sprache rüttelt die Erzählerin auf und reißt uns bei ihrer Old School-Abrechnung mit.
Malaise
In: Jugendstil und Heinerblut - Kriminelle Geschichten aus Darmstadt (KBV)
Er parkt den Citroen DS Baujahr 74 ein. Einst ein Wunder an Technik – heute in die Jahre gekommen, so wie er selbst. Rasselnde Lunge, arthritische Knie, Erinnerungslücken.
Die Aussicht auf Pflegeheim und Rollator macht ihm – dem ehemaligen Auftragsmörder – Angst.
Er irrt durch Darmstadt mit dem Ziel, dem allen zu entgehen und seinen Plan dazu auf bizarre Art zu verwirklichen.
Roland Spranger versteht es, sich sehr einfühlsam mit dem Älterwerden und dem Thema Demenz auseinanderzusetzen. Mit einer unkapriziös-metaphorischen Sprache erscheint vor unserem geistigen Auge sein Protagonist samt seinem von Angst geplagtem Seelenleben – eine überzeugend dargestellte und gleichsam originelle Figur, die uns in die Handlung hineinzieht.
Schlussendlich lässt er den Protagonisten eine unerwartet groteske Lösung finden, die aufzeigt, dass Zuneigung größer ist als die Macht des Alterns.
Für den GLAUSER, den Autorenpreis deutscher Kriminalliteratur 2024, konnten bis zum 30. November 2023 deutschsprachige Kurzkrimis von Autor*innen eingereicht werden, deren Erscheinungstermin zwischen Dezember 2022 und November 2023 lag (Originalausgaben).
(Die Aussschreibungen für das Jahr 2025 finden Sie hier.)