REAL CASES - spannend, kurios, lustig und manchmal unglaublich, aber wahr!

geschildert von Jörg Schmitt-Kilian (KHK a.D. und Krimi-Autor)

Der (fiktive?) Polizist Andreas Müller erinnert sich an seine Dienstzeit, blickt zurück auf „Streifengänge“ als junger Schutzpolizist und schwierige Ermittlungen bei der Kriminalpolizei. Da Müller auch als „NÖEB“ (nicht öffentlich ermittelnder Beamter) im Drogenmilieu eingesetzt war, möchte er seine wahre Identität nicht preisgeben.

Würden Michi Kobr und Volker Klüpfel ihrem Kommissar KLUFTINGER und Rita Falck dem Dorfpolizisten EBERHOFER die unserer Serie geschilderten Situationen „auf den Leib schneidern“, würde der Leserkreis den Autoren eine „blühende Fantasie unterstellen, denn niemand würde glauben, dass solche Dinge tatsächlich geschehen. Aber die Realität des polizeilichen Alltags ist manchmal verrückter als die Autoren-Fantasie. Es gibt nichts, was es nicht gibt, und unser SYNDIKATS-Mitglied liefert die Beweise!

Real Cases Folge 13

 

 

 

 

 

 

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Festnahme-Quickie: ein Fall für das Guinness-Buch der Rekorde

11:40 Uhr: Banküberfall, Sparkasse Koblenz, Bahnhofstr.

Mosel 10/1: PHW Bartsch, PHW Schmidt

Festnahme des Täters, Sicherstellung von 36.000 DM, Übergabe an Kripo

Erinnern Sie sich noch an meinen Kollegen, der jedes Mal kurz vor Schichtwechsel (wegen angeblich plötzlich eintretendem „Dünnschiss“) die Toilette aufsuchte, um sich vor einem letzten Einsatz zu drücken? Und ausgerechnet PHW Schmidt konnte einen Mann festnehmen, der seinen (angeblichen) Aufenthalt auf dem stillen Örtchen nicht nutzte, um sich zu „verpissen“, sondern um eine Straftat zu begehen. Viel verwerflicher als die Arbeitsmoral von Schmidty, der - vollkommen unbeabsichtigt - plötzlich mitten im Schauplatz eines Verbrechens war. Es geschah kurz vor Ende des Frühdienstes. »Ich fahre noch Tanken«, sagte Schmidty zum Wachhabenden in der Hoffnung, dass er bei einem möglichen Auftrag nicht mehr eingesetzt würde und fuhr allein zur Tanksäule im Innenhof des Präsidiums. Noch bevor er den Tankdeckel öffnen konnte rauschte die Meldung der Leitstelle durch den Funkkanal: “Mosel an alle im Stadtgebiet. Alarmauslösung Hauptstelle Sparkasse Koblenz!“ Shit, so ein Pech, ein Tatort nur 50 Meter entfernt. Schmidty konnte sich nicht „drücken“. Was war geschehen?  

Ein unmaskierter Mann hatte um 11:38 Uhr die Schalterhalle betreten und sich zunächst unauffällig an der Kasse hinter eine alte Dame gestellt, die soeben 100 DM einzahlen wollte. Er drückte der Frau einen Gegenstand in den Rücken und flüsterte »Ganz ruhig Keine Aufregung.«

Der Schalterbeamte erkannte sofort den Ernst der Lage, löste „stillen“ Alarm aus und übergab dem Täter 36.000 DM in mehreren Banknotenbündeln. Die ältere Dame brach in Tränen aus: »Lassen Sie mich in Frieden, ich bin eine arme Frau!« und drückte dem Mann ihre zwei 50 DM-Scheine in die Hand. Dieser lehnte dankend ab. »Ich habe doch schon genug«, flüsterte er mit einem Lächeln, klopfte mit der linken Hand gegen die Manteltasche, schob die verängstigte Frau bis zum Ausgang vor sich her und flüchtete aus dem Gebäude.

»Dort läuft er!«, schrie ein Bankangestellter Schmidty zu, der sofort die Verfolgung aufnahm und den Räuber verhaftete, bevor dieser über den Zaun klettern konnte. Der freundliche Bankräuber ließ sich widerstandslos festnehmen unentschuldigte sich bei Schmidty und den inzwischen eingetroffenen Kollegen mit einem Kniefall. Bei der Dursuchung stellten die Beamten den Geldbetrag und eine Tabakspfeife sicher, fanden aber keine Schusswaffe. Die weiteren Ermittlungen ergaben, dass der Mann bereits um 11:00 Uhr die Gaststätte gegenüber vom Präsidium betreten und sich am Tresen ein Bier bestellt hatte. Dann bestellte er ein zweites Bier, ging zur Toilette und verließ durch die Hintertür das Gebäude, kletterte über einen Zaun, überquerte die Bahnhofstraße und ging in die Bank direkt neben dem Polizeipräsidium, wo Schmidty seinen zur gleichen Zeit den Streifenwagen tanken wollte. Der Täter beabsichtigte wieder auf dem gleichen Weg zu verschwinden und (nach vorgetäuschter längerer Sitzung auf dem „stillen Örtchen“) in aller Ruhe sein zweites Bierchen trinken.

Schmidty fragte sich nach diesem Einsatz, ob er es künftig wagen könnte statt zur Toilette auf direktem Weg die Wache zu verlassen (ohne dass der Wachhabende das bemerkt), um den Dienst früher zu beenden: denn es ist ein langer Weg ins Saarland. Alleyh Hopp!!!


 SYN 13 01 Karikatur col.

 

 

 

 

Karikatur: Dietze

Jörg Schmitt-Kilian (ehem. Drogenfahnder und KHK a.D.) hat zahlreiche Bücher (u.a. einen SPIEGEL-Bestseller, mit Uwe Ochsenknecht verfilmt) und Themenhefte zur Früherkennung und Bewältigung von Krisensituationen (Drogen, Gewalt, school-shootings) mit einer Gesamtauflage von mehr als einer halben Million Exemplare geschrieben. Im September ist ENTFÜHRT der vierte Krimi seiner Serie „Neben der Spur“ erschienen.