REAL CASES - spannend, kurios, lustig und manchmal unglaublich, aber wahr!
geschildert von Jörg Schmitt-Kilian (KHK a.D. und Krimi-Autor)
Der (fiktive?) Polizist Andreas Müller erinnert sich an seine Dienstzeit, blickt zurück auf „Streifengänge“ als junger Schutzpolizist und schwierige Ermittlungen bei der Kriminalpolizei. Da Müller auch als „NÖEB“ (nicht öffentlich ermittelnder Beamter) im Drogenmilieu eingesetzt war, möchte er seine wahre Identität nicht preisgeben.
Würden Michi Kobr und Volker Klüpfel ihrem Kommissar KLUFTINGER und Rita Falck dem Dorfpolizisten EBERHOFER die unserer Serie geschilderten Situationen „auf den Leib schneidern“, würde der Leserkreis den Autoren eine „blühende Fantasie unterstellen, denn niemand würde glauben, dass solche Dinge tatsächlich geschehen. Aber die Realität des polizeilichen Alltags ist manchmal verrückter als die Autoren-Fantasie. Es gibt nichts, was es nicht gibt, und unser SYNDIKATS-Mitglied liefert die Beweise!
Um „Haaresbreite“ aus dem Polizeidienst entlassen
In den beiden letzten Ausgaben berichtete unser Protagonist PM i.Kd. Andreas Müller über den Widerspruch seines Kollegen Schmitt auf den Haarerlass der Bezirksregierung, wonach im Sinne des Allgemeinwohls(?) das Haupthaar einschließlich der Koteletten bis zu der in der dienstlichen Weisung bestimmten Länge zu tragen sei. Bei Nichtbefolgen dieses „Befehls“ wurden dienstordnungsrechtliche Maßnahmen in Form eines Disziplinarverfahrens angedroht. Der Dienstvorgesetzte folgte nicht der Argumentation des Beamten, diese Anordnung sei eine „Verletzung der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit“ und kam zu dem Ergebnis der Beamte würde durch eine derartige Anordnung keineswegs herabgewürdigt oder erniedrigt, da eine die Menschenwürde verletzende Missachtung des Einzelnen lediglich dann in Betracht bei einem Zwang zu einem Haarschnitt gezogen werden müsse, wenn das kurz geschnittene Haar den betroffenen Beamten gröblich entstelle und der Lächerlichkeit preisgebe. Hiervon könne bei der (in den „real-cases“ Folgen 8 und 9 konkretisierten) dienstlich angeordneten Haarschnitt-Regelung jedoch keine Rede sein. Zum Wesen des Beamtenverhältnisses gehöre die Pflicht des Beamten seine ganze Persönlichkeit in den Dienst des Amtes zu stellen. Diese im Beamtenrecht verankerte „Hingabepflicht“ habe eindeutigen Vorrang vor dem individuellen Recht des Polizeibeamten seine Haare länger oder anders zu tragen als dies in der dienstlichen Weisung vorgeschrieben wurde. Zudem sei jeder Beamte verpflichtet zu seiner vollen Verwendungsfähigkeit beizutragen. Diese würde durch das Tragen von langen Haaren erheblich eingeschränkt und außerdem schädige dies das Ansehen der deutschen Polizei.
Als Müllers „bester Freund“ bei einem Training des FCK (Fußball-Club-Kripo) in der Sporthalle der Landespolizeischule mit einem kraftvoll abgeschossenen Lederball im „Unterstübchen“ Bekanntschaft machte, dachte unser Protagonist, „die würden uns besser ein dienstlich geliefertes Suspensorium als Schutz vor Verletzungen beim Dienstsport zur persönlichen Ausstattung liefern, statt das schwachsinnige Argument als Begründung für den Haarerlass zu verbreiten, weil lange Haare auf Polizistenköpfen im Dienst gefährlich werden könnten.“
Foto: Mürlebach/Polizeiarchiv
Jörg Schmitt-Kilian (ehem. Drogenfahnder und KHK a.D.) hat zahlreiche Bücher (u.a. einen SPIEGEL-Bestseller, mit Uwe Ochsenknecht verfilmt) und Themenhefte zur Früherkennung und Bewältigung von Krisensituationen (Drogen, Gewalt, school-shootings) mit einer Gesamtauflage von mehr als einer halben Million Exemplare geschrieben. Im September ist ENTFÜHRT der vierte Krimi seiner Serie „Neben der Spur“ erschienen.