BLAULICHT-STORIES „Erinnerungen an alte Zeiten“
von Jörg Schmitt-Kilian, Krimi-Autor und Hauptkommissar a.D.
Jörg Schmitt-Kilian wirft einen Blick hinter die Kulissen des polizeilichen Alltags, pendelt zwischen wahren Begebenheiten und der „Freiheit schriftstellerischer Ausschmückung“ . Er erinnert an eine Zeit, in der nicht alles besser, aber vieles „anders“ war.
Kein Aprilscherz : ein „an den Haaren herbeigezogener“ Befehl
Andreas Müller hatte nach der Fachprüfung I („Meister“-Lehrgang, da nach erfolgreichem Abschluss und einer Dienstzeit von 5 Jahren und 4 Monaten der Polizeihauptwachtmeister (PHW) automatisch zum Polizeimeister (PM) befördert wird) an der Landespolizeischule auf dem Koblenzer Asterstein zur Kripo gewechselt und trägt nun die offizielle Amtsbezeichnung „PM i.Kd.“ Diese Zusatzbezeichnung bedeutet „Polizeimeister im Kriminaldienst“.
Müller war der festen Überzeugung (so reden Politiker doch auch immer) er könne als „Angehöriger“ der Kriminalpolizei endlich wieder seine Haare wachsen lassen, so wie es ihm – und nicht seinem Dienstherrn – gefällt. Weit gefehlt, denn ein neuer „Haarerlass“ der Bezirksregierung Koblenz sollte auch für die Kripo verbindlich sein.
Was war der Auslöser für diese Anordnung?
Die vorgesetzte Behörde hatte festgestellt, dass nach Meinung von (bedeutenden?) Polizeiführern und (angeblich) ständige Rückmeldungen aus der Bevölkerung die Haartracht vieler Polizeivollzugsbeamten zu lang ist. Unter Bezug auf eine Gerichtsentscheidung aus Nordrhein-Westfalen wurden auch im Bereich des Polizeipräsidiums Koblenz alle Beamte aufgefordert ihren Haarschnitt nach Maßgabe gewisser Kriterien „anzupassen.
Müller erinnerte sich an den Spruch seines Kollegen Werner Gehrmann „Polizei ist lustig und Ländersache“. Ländersache stimmt, aber diese Anordnung war alles andere als lustig. Die „fadenscheinige“ Begründung in dem Gerichtsurteil: lange Haare würden Polizeibeamte in der Ausübung ihrer dienstlichen Aufgaben erheblich behindern und sie könnten bei Widerstandshandlungen verletzt werden, wenn „Gegner“ Beamte an den langen Haaren ziehen. Es sei auch offenkundig, dass große Teile der Bevölkerung unter der Uniformmütze hervorstehende und Mantelkragen herabhängende Haare nicht mit der verantwortungsvollen Wahrnehmung des Aufgabenkreises eines Polizeibeamten für würdig halten. Ihren gesetzlichen Auftrag könne die Polizei jedoch nur erfüllen, wenn die Polizeibeamten Vertrauen und Achtung genießen und nicht von vornherein wegen ihres äußeren Erscheinungsbildes bei zahlreichen erwachsenen Bürgern auf Sport und offene Ablehnung stoßen würden. Kurze Haare garantierten die volle Einsatzfähigkeit und kurzgeschnittene Frisuren seien somit auch im Interesse der eigenen Sicherheit. Innerhalb wie auch außerhalb seines amtlichen Aufgabenkreises habe der Beamte alles zu vermeiden was die dienstlichen Interessen schädigen und das Wohl der Allgemeinheit gefährden könne.
Müller erschließt sich bis heute kein einziger Grund, wieso lange Haare das Gemeinwohl gefährden, und ist der Meinung, dass alle Argumente im wahrsten Sinne des Wortes „an den Haaren herbeigezogen“ wurden. Außerdem argumentierte die Bezirksregierung lange Haare bedürften, um sauber und gepflegt zu sein einer intensiven Pflege und dies sei bei länger andauernden Einsätzen zumindest bei der Bereitschaftspolizei nicht möglich. Müller war aber schon einige Jahre nicht mehr Angehöriger der Bepo und kennt auch keine Bekleidungs- und Haarvorschrift für in Zivilkleidung arbeitende Beamte. Müller und einige Kollegen hatten sich gegen diese dienstliche Anordnung erfolgreich zur Wehr gesetzt wie das Foto mit seiner Kollegin beim Testen legaler Drogen im Rauschgiftkommissariat beweist.