Seelenraub
Michael Kibler


ISBN 978-3-4923-0937-0

12,99 € [D], SFr. 17,90 [CH], 13,40 € [A]
Hauptkommissar Steffen Horndeich steht vor einem Rätsel. Erst wird in Darmstadt ein ermordeter Professor gefunden, dann die Leiche eines arbeitslosen Physiotherapeuten in Wiesbaden. Zwei Männer, die sich nicht kannten und sich offenbar nie begegnet sind. Und doch gibt es eine grausame Parallele: Beide Opfer wurden mit derselben Tatwaffe hingerichtet. Gemeinsam mit seiner Kollegin aus Wiesbaden sucht Horndeich fieberhaft nach einer Verbindung zwischen den Männern. Da geschieht noch ein Mord …
Michael Kibler

Michael Kibler

geb. 1963, studierte Germanistik in Frankfurt. Magister 1991, Promotion 1998. Seit 1992 der schreibenden Zunft zugehörig, zunächst als Autor von Groschenromanen bei Bastei. Ab 1997 Texter und PR-Profi, seit 2005 auch Krimischriftsteller. Er schreibt Kriminalromane um den Darmstädter Ermittler Steffen Horndeich: akutell "Bittere Lüge" (Nov. 2023).

Empfehlung der Woche

Seelenraub ist die Empfehlung der Woche der SYNDIKATs-Redaktion vom 2. Oktober 2017.

Kritikerstimme

Michael Kibler zeichnet seine Figuren mit wenigen Strichen und vermeidet dabei die üblichen Klischees. Die Guten haben auch schwarze Flecken in ihrem Wesen, den Unsympathischen kann man doch noch etwas abgewinnen, die Bösen sind keine Bestien. Das ist erfrischend.
Hessenschau

Drei Fragen an Michael Kibler

Wann begann Ihre kriminelle Laufbahn?
Wenn man meinen Eltern Glauben schenken darf, bereits mit sechs Jahren. Delikt: Diebstahl der Advendskalenderschokolade. (Übrigens: Dieses letzte Wort weckte dann zeitgleich meine Liebe zur deutschen Sprache ...)  

Wie viele Verbrechen gehen auf Ihr Konto?
Nach dem Schokoladendiebstahl, der mit Fernsehentzug geahndet wurde, nur noch mentale, aber unzählige.

Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen?
Im Ernst – gibt es einen Menschen, der Schokolade widerstehen kann?

Leseprobe

Tobias I

Ich ziehe mit dem Springer auf G5.
Wanja zieht mit der Dame. Ich muss mit dem Springer wieder zurück.
»Er ist wirklich klug, Ihr Sohn«, sagt Wanja zu meiner Mutter. »Mit neun Jahren war ich nicht so klug.«
Seit einer Viertelstunde ist Wanja bei uns in der Wohnung. Wie meistens hat er das Schachspiel mitgebracht. Es ist ein großes Spiel mit schönen Figuren. Ich mag sie noch immer. Die einen sind aus ganz dunklem Holz, die anderen aus hellem. Und sie glänzen so, wie Mama immer sagt, dass ich meine Schuhe putzen soll. Aber so, wie die Figuren glänzen, so hab ich das noch nie hingekriegt. Ich glaube, Wanja putzt die Figuren auch jeden Tag.
Ich weiß nicht, wie er es hingekriegt hat, aber nur ganz wenige Züge danach steht sein Turm mitten auf dem Spielfeld. So gut wie Wanja werde ich wohl nie Schach spielen können.
Mama geht an mir vorbei und streicht mir mit ihrer Hand durchs Haar. Ich glaube, sie hat gar nicht gehört, was Wanja gesagt hat. Ich kenne das. Ihre Schritte werden immer schneller, in zehn Minuten muss sie gehen. Spätschicht.
Ich überlege. Ich kann Wanjas Dame bedrohen, doch dann erkenne ich: Wenn ich den Springer in Richtung Mitte ziehe, ist gleichzeitig auch sein Turm in Gefahr. Ich muss lächeln. Und ziehe.
»Es kann sein, dass es heute etwas später wird. Mein Chef sagt, dass wir nach meinem Dienst noch etwas besprechen müssen.« Wanja nickt. »Das ist kein Problem. Ich bin ja da.« Dann zaubert er seinen Läufer aus einer Ecke hervor, die ich völlig übersehen habe. Und fort ist mein Springer.
Ich überlege krampfhaft. Nicht gut gelaufen. Und dieser Läufer bedroht jetzt meine Dame und ist auch noch gedeckt. Mist!
Wanja sagt, ich wäre schon viel besser geworden in den letzten Wochen. Kann ja kaum sein. Ich habe noch kein einziges Spiel gegen Wanja gewonnen. Aber vielleicht hat er ja doch recht. Ich
glaube, am Anfang haben die Partien nur fünf Minuten gedauert. Jetzt kann es schon mal eine Viertelstunde sein. Vorgestern waren es sogar neunzehn Minuten, hat Wanja mir gesagt.
Er ist streng. »Berührte Figur zieht«, da gibt es nichts zu deuteln. Und dann noch: »Losgelassene Figur steht«.
Während ich jetzt Himmel und Hölle in Bewegung setze, damit Wanja meine Dame nicht schlagen kann, kommt Mama wieder zu mir. Sie legt mir beide Hände auf die Schultern, gibt mir einen Kuss aufs Haar und sagt: »Tschüss, mein Schatz, sei brav und mach deine Hausaufgaben.«
»Tschüss, Mama«, sage ich. Und ärgere mich: Meine Dame ist futsch.