Mordsmäßig Münchnerisch
20 Stadtteilkrimis & Rezepte
Schwabing oder Giesing? Hasenbergl oder Bogenhausen? Isarvorstadt oder Pasing? Jeder Münchner Stadtteil hat einen ganz eigenen Flair und bietet damit auch einen ganz individuellen Rahmen für mörderisch gute Geschichten! Wo mordet es sich leichter, böser, frecher oder schweißtreibender? Die Krimiautorin Ingrid Werner stiftete Kolleginnen und Kollegen dazu an, dieser Frage nachzugehen.
Bei jeder Geschichte gibt es zudem das Rezept für eine bayerische Spezialität, das todsicher gelingt und schmeckt.
Eine lesenwerte Blutspur quer durch zwanzig Münchner Viertel ziehen:
Martin Arz, Joachim Biedermann, Bettina Brömme, Angela Esser, Werner Gerl, Lisa Graf-Riemann, Ursula Hahnenberg, Thomas Kastura, Iris Leister, Beatrix Mannel, Nicole Neubauer, Ottmar Neuburger, Manuela Obermeier, Ricarda Oertel, Regina Ramstetter, Heidi Rehn, B.a. Robin, Ingeborg Struckmeyer, Ingrid Werner und Moses Wolff
Empfehlung der Woche
Mordsmäßig Münchnerisch ist die Empfehlung der Woche der SYNDIKATs-Redaktion vom 13. November 2017.
Kritikerstimme
Mörderisch gute Hommage an München
Krimiautorin Ingrid Werner, die mich schon mit einigen ihrer Krimis begeistert hat, hat sich hier erfolgreich an die Herausgabe eine Krimianthologie gewagt. Sie hat selbst dazu beigetragen, aber auch wirklich tolle Kurzstorys von 19 weiteren Schriftstellerkollegen und -kolleginnen versammelt, die einen direkt nach München versetzen, einem den Duft von traditioneller bayrischer Küche um die Nase wehen lassen und mörderisch gut unterhalten.
Zwanzigmal geht es hier mehr oder weniger kriminell zu. Die allermeisten Storys haben mir wirklich sehr gut gefallen, mit nur zwei konnte ich etwas weniger anfangen, insgesamt eine tolle Ausbeute bei 20 verschiedenen Titeln.
Zu meinen Highlights zählt sicher das spritzig, witzig erzählte "Vorruhestand" von B. a. Robin. Ich konnte super viel schmunzeln, und die Geschichte sprudelt nur so an originellen Wortschöpfungen, da wird Taschendiebstahl schon mal als Secondhandhandel mit Sachen zu einem Einstandspreis null verkauft, und wenn das Geschäft nicht mehr so läuft, kann es heißen, "seit Wochen führt mein rückläufiger Umsatz zu einer Gesundschrumpfung meines Anlagevermögens in Hüftgold". Die Autorin muss ich auf jeden Fall auf dem Radar behalten. Grandios fand ich auch "Die Venus vom Nockherberg" von Manuela Obermeier, die ich bisher auch verpasst habe, nicht nur, aber allein schon wegen der regional typischen Schimpfwörter wie "mopsgedackelter Spitz", "aufgedackelte Zugraste" oder auch "aufgstellter Mausdreck".
Die Vielfalt ist groß, man darf als Leser ganz viel schmunzeln, darf mit auf verzwickte Ermittlungen gehen. Einmal geht es dabei sogar in eine völlig neue technische Welt. Hier hat mir der Kommentar "Schöne neue Welt. Ich kann''s kaum erwarten, bis ich morgens um sieben mit der Zahnpastatube reden kann!" besonders gut gefallen. Einige Geschichten sind dabei, die mich nachdenklich und auch ein bisschen traurig zurückgelassen haben. Manche haben mich regelrecht verblüfft, indem sie auf nur wenigen Seiten unheimlich viel Krimifeeling und Emotionen geschaffen haben, und bei manchen ging es auch richtig eklig zu, Gänsehautfaktor inbegriffen.
Dies ist nicht meine erste Krimianthologie, die sich auch kulinarisch in eine bestimmte Region begibt. Ich komme nicht direkt aus München, wohne aber in der Nähe und habe mich riesig darüber gefreut, so viele Schauplätze beim Lesen wiederzuerkennen. Spaziergänge mit Taschendieben in der Fußgängerzone, vorbei am Glockenspiel am Marienplatz hin zum Platzl, ein Mord am Friedensengel, die Wiesn als Ort für Finanzsünder und erbsenzählende Fahnder, Schwabing und Kunstraub oder der für München so typische Biergarten als Treffpunkt fürs erste und letzte Internetdates versetzen den Leser mitten in die Stadt. Man bekommt Geheimtipps, so ist z. B. eine Fahrt mit der Tram 19 eine recht günstige Stadtrundfahrt. Lokale werden mit ihren Spezialitäten genannt. So weiß ich jetzt z. B., dass es bei Schubecks keine Schweinshaxe gibt, dafür aber in diversen anderen Wirtshäusern, aufgeschlüsselt nach bester Soße, besten Ködeln und Knusprigkeit. Interessant fand ich auch über unterirdische Flüsse im Glockenbachviertel etwas zu erfahren, die ich bisher noch nicht kannte. Toll ist, dass auch an legendäre lokale Persönlichkeiten wie Karl Valentin oder Ferdel Weiß gedacht wird.
Allen Krimis ist gemein, dass im Verlauf ein typisch bayrisches Gericht entweder verzehrt oder zumindest erwähnt wird. Genau dieses findet man unmittelbar im Anschluss dann als Rezept, sodass man sofort den Kochlöffel schwingen kann. Deftige Hausmannskost wie Schweinshaxe, Traditionelles wie Saures Lüngerl oder, typisch für den Biergarten, Steckelfisch und Obazda sind hier ebenso vertreten wie auch ein Rezept für den süßen Senf, der bei einer Weißwurst, die man zuzeln muss, nicht fehlen darf. Auch die eher "Süßen" kommen mit Topfenstrudel, Auszogne, Reiberdatschi und Hollerkücherl sicher auf ihre Kosten. Dradiwixpfeiferl dürfen natürlich allein schon wegen des originellen Namens nicht fehlen. Und mit Schinkennudeln ist sogar an Kochanfänger gedacht.
Folgende Autoren sind mit ihren Kurzgeschichten beteiligt: Martin Arz, Joachim Biedermann, Bettina Brömme, Angela Eßer, Werner Gerl, Lisa Graf-Riemann, Ursula Hahnenberg, Thomas Kastura, Iris Leister, Beatrix Mannel, Nicole Neubauer, Ottmar Neuburger, Manuela Obermeier, Ricarda Oertel, Regina Ramstetter, Heidi Rehn, B. a. Robin, Ingeborg Struckmeyer, Ingrid Werner und Moses Wolff. Einige Autoren waren mir bereits vorab bekannt. Einige kannte ich bisher noch nicht, werde mir ihren Namen aber ganz sicher merken und nach weiteren Titeln Ausschau halten, weil mich ihr Schreibstil begeistert hat. Ein toller Nebeneffekt solcher Anthologien, meine ich.
Alles in allem hat mir „Mordsmäßig Münchnerisch“ wirklich sehr gut gefallen, weshalb es auch noch 5 Sterne verdient.
Elke Seifried, Amazon-Rezensentin
Drei Fragen an Ingrid Werner
Wann begann Ihre kriminelle Laufbahn?2010.
Wie viele Verbrechen gehen auf Ihr Konto?
Oh, muss ich wirklich nachzählen? In vier Bücher und zahlreiche Kurzgeschichten passt so einiges.
Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen?
Das ist reine Therapie.
Leseprobe
Altstadt
Vorruhestand
B. a. Robin
Meine Umsätze sind rückläufig. Egal, was das Ifo-Institut berichten mag, für mich ist die Konjunkturlage schlecht. Nun bin ich schon mein ganzes Erwerbsleben als Einzelhändler im Gebrauchtwarenbereich tätig und weiß, wovon ich rede.
Mein Geschäftsmodell ist simpel, doch leider recht arbeitsintensiv. Ich erwerbe von unaufmerksamen Touristen Smartphones, Uhren, Geldbörsen und gebrauchte Pässe für einen Einstandspreis von Null Euro. Diese Waren gebe ich dann weiter an einen Zwischenhändler, der sie in den Hinterhöfen des Bahnhofsviertels wieder dem Wirtschaftskreislauf zuführt. Doch durch chinesische Billigimporte sinkt der Wiederverkaufswert von Secondhand-Produkten und meine Gewinnspanne schrumpft.
Einzig der Markt für Ausweispapiere und Kreditkarten ist nicht eingebrochen, aber da ist die Beschaffung zunehmend mit Problemen belastet. Die Kundschaft wird immer anspruchsvoller und verlangt immer elaboriertere Ablenkungsmanöver. Früher konnte man sich noch während Glockenspielzeiten durch den Marienplatz arbeiten und kam fast regelmäßig zu einem Geschäftsabschluss. Fünfzehn Minuten lang starrten sie mit ihren Camcordern und Kameras aufs Rathaus und lauerten mit dem Finger am Auslöser auf den entscheidenden Moment. Da konnte ich völlig entspannt meinem Gewerbe nachgehen. Doch ich weiß nicht, was in die Leute gefahren ist. Heutzutage krallen sie sich an ihren Rucksäcken und Brustbeuteln fest wie der Teufel an die armen Seelen am Tag des Jüngsten Gerichts. Das ist doch kein Geschäftsgebaren!
Überhaupt hatte ich früher gedacht, dass ich mich in meinem Alter längst zur Ruhe gesetzt haben würde. Aber durch diverse berufsbedingte Aufenthalte in Stadelheim war es mir nicht möglich, regelmäßig in meinen Vorsorgesparplan einzuzahlen und so tut sich nun eine Versorgungslücke auf.
Deshalb muss ich also auch an diesem Tag meine Runde machen. Mein Stammgebiet liegt nordöstlich vom Marienplatz, und ich versuche mich meist zuerst an der Statue der Julia direkt hinterm Alten Rathaus. Da betätige ich mich als freundlicher, älterer Herr, der den Damen galant zu Hilfe eilt, wenn sie der Julia Blumen in den Arm legen und nachher eine Hand brauchen, um von dem Podest wieder herabzusteigen.
Aber an diesem Tag wird das nichts. Da sind nur junge Männer, die Julia die Brust reiben, damit sich ihr Glück beim anderen Geschlecht steigert. Dieses Marktsegment verfügt jedoch erfahrungsgemäß über zu wenig liquide Mittel, um als Klientel attraktiv zu sein.