Eifelfieber
Andreas J. Schulte

Andreas J. Schulte
Verheiratet, zwei Söhne. Hat mit 15 Jahren seine ersten Krimi-Hörspiele geschrieben und produziert. Studium u.a. der Germanistik in Bochum und Bonn. Arbeitet seit 1988 als Radiojournalist. Seit 2000 geschäftsführender Gesellschafter eines Redaktionsbüros in Andernach. Sein Debütkrimi „Die Toten des Meisters“, erschien im April 2013 im Aachener Ammianus Verlag. Seine Buchprojekte werden von der Berliner Literaturagentur Lesen & Hören/Anna Mechler vertreten.
Er ist Mitglied im Deutschen Journalisten Verband.
Empfehlung der Woche
Eifelfieber ist die Empfehlung der Woche der SYNDIKATs-Redaktion vom 31. Oktober 2016.Kritikerstimmen
Ein wirklich toller, rundum gelungener Krimi, der zwar in meiner Heimat spielt, aber deswegen nicht provinziell ist. Er ist in sich abgeschlossen, aber ich sehe keinen Grund, warum er nicht fortgesetzt werden sollte, ich fänd es sogar wünschenswert! Ich habe den Krimi in kürzester Zeit verschlungen und vergebe vielleicht nicht ganz objektive 5 von 5 Sternen mit klarer Leseempfehlung!Tanja Hasirasi, Nicht ohne Buch
Statt eines raschen "wir finden eine Leiche und müssen jetzt herausfinden, wer der Mörder ist"- Schemas geht Schulte vielmehr einen vielschichtigen und langsameren Weg, der dem Buch aber nicht schadet. Von den einzelnen Todesfällen in der Eifel über die ersten Schritte Susannes in der Welt der Big Player des deutschen Journalismus und des Einmischens des großen Bruders, der in die Ereignisse bei Heimbach mit hineingezogen wird und dies mit seinem Leben zahlt, hin zu Paul David und dessen Leben im Pöntertal mit Rückblenden in seine Vergangenheit, bekommt man ein gut miteinander verstricktes Gesamtbild geliefert, das sich, trotz vieler Sprünge von einem Ort zum anderen und dem Wechsel vom neutralen Erzähler zur Ich-Perspektive bei der Hauptfigur Paul David, flüssig und angenehm lesen lässt.
Julia Nemesheimer, Hunderttausend.de
Drei Fragen an Andreas J. Schulte
Wie viele Verbrechen gehen auf Ihr Konto?7 Bücher und 22 Kurzgeschichten in den letzten drei Jahren, da kommt schon einiges zusammen. Ich fürchte, ich zähle mit mehr als sechzig Toten zu den Serientätern.
Wann begann Ihre kriminelle Laufbahn?
Im zarten Alter von fünfzehn Jahren habe ich zusammen mit einem Freund Krimi-Hörspiele geschrieben und produziert. Aber erst 2008 habe ich dann angefangen, einen historischen Krimi zu schreiben. Seit 2013 gehört das literarische Morden zu meinen Lieblingsbeschäftigungen.
Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen?
Zu erleben, wie fremde Menschen meine Krimis begeistert lesen ist etwas ganz Großartiges. Und außerdem – und das hab ich an dieser Stelle schon mal geschrieben: Ich bin alt, ich brauch das Geld.
Leseprobe
Campingplatz Pönterbach
Drei Jahre später
Es war eigentlich ein ganz netter Tag gewesen. Nett und durchschnittlich, wie viele andere Tage davor auch. Bis gerade, da hatte er aufgehört, nett zu sein.
»Mein Mann, der Oberst, wollte selber zu denen rübergehen und für Ordnung sorgen. Aber ich habe ihm gesagt, das wäre nicht seine Aufgabe. Ich dachte, die Platzbesitzerin sollte sich darum kümmern.«
Den Redefluss der kleinen Dame mit den stahlgrauen Locken hätte ich allenfalls mit einem Knebel stoppen können. Frau Oberst schritt energisch voran.
»Ach, was rede ich da, die Platzbesitzerin ist ja unterwegs. Aber wenn Sie so nett wären«, ihr Blick wanderte kurz zu meinem Armstumpf, »also nur, wenn es Ihnen keine allzu große Mühe macht. Die Jungs sind wirklich laut, und ob die schon so viel trinken dürfen? Ich weiß ja nicht!«
Ich brummte Zustimmung. Die Jungs waren noch jung, und kein Mensch hatte was gegen ein paar Bierchen vor dem Zelt, aber das Gegröle, das ich jetzt hören konnte, klang nach mehr als nur ein paar Bierchen.
»Ich schlage vor, Sie gehen jetzt zurück zu Ihrem Wohnmobil und beruhigen Ihren Gatten. Die Platzbesitzerin ist meine Tante, und ich werde mich mal mit den Jungs auf der Zeltwiese unterhalten«, sagte ich mit einer sanften Stimme, von der ich wusste, dass sie in der Regel Vertrauen erweckte. Der Erfolg blieb auch diesmal nicht aus. Die kleine Dame mit den Stahllocken entspannte sich und lächelte mir zu. »So, Ihre Tante, ach, das ist aber nett. Ja, dann will ich mal wieder.«
Sprach's und bog Richtung Wohnmobil samt Oberst ab.
Ich ging weiter zur Zeltwiese.
Ein Kleinbus, vier Zelte, Klapptische, Stühle, Holzkohlengrill und zwei Schnapsleichen.
Die Bierkästen neben den Zelten wollten noch geleert werden, die vier Flaschen Billig-Wodka, die daneben in der Abendsonne glänzten, waren es schon. Der tsg Elz 1903 – genauer, die Karate-Tiger des tsg Elz – hatten sich in den Kopf gesetzt, mir den Tag zu versauen. Gar nicht nett von ihnen.
Auf einem Klapptisch funkelte ein vierzig Zentimeter großer Pokal. Im Kleinbus klebte ein Schild »Im Kampf die Besten. Karate-Regionalmeisterschaft Süd 2014«.
Von den beiden Schnapsleichen einmal abgesehen, verfolgten die anderen weiterhin den Plan, den Pokal und ihren Sieg mehr als ausgiebig zu feiern.
Alkohol durften sie alle schon trinken, auch wenn es nach meinem Geschmack noch ein bisschen zu früh für den Totalabsturz war, aber das Rumgrölen störte wirklich.
»Ey, guck mal, Alter. Wir kriegen Besuch.«
Ein großer Blonder mit der Statur eines Bodybuilders hatte mich entdeckt. Sein schwarzhaariger Nachbar, etwas schmaler, aber genauso durchtrainiert, setzte ein breites Grinsen auf.
»Jau, den kenn ich, das ist der Typ vorne vom Kiosk, der hat die Anmeldungen gemacht. Hab ich euch doch erzählt, der Krüppel.«
Ich beschloss, den »Krüppel« zu überhören, und startete stattdessen meine Charmeoffensive: »Seht mal, Jungs, ich kann ja verstehen, dass ihr euch über den Sieg freut.« Mit dem Kopf wies ich kurz auf den Pokal. »Ich gratuliere, aber ich schlage vor, dass ihr es mal ein bisschen langsamer angehen lasst. Hört mit der Sauferei auf, und vor allem, lasst das Gegröle. Wir haben hier noch andere Gäste.«
»Die können uns mal. Meinst du etwa den alten Knacker drüben in dem Edelmobil? Scheiß drauf, echt«, aus einem der Klappstühle erhob sich ein weiterer Jüngling und stellte sich mit Bierflasche in der Hand neben seine beiden Freunde, »wir werden heute feiern, dafür haben wir bezahlt.« Die Übrigen blieben sitzen und beobachteten feixend ihre drei Anführer. Die drei, ich schätzte sie auf knapp zwanzig, hatten genug getrunken, um leichtsinnig zu sein, und zu wenig, um zu schwanken. Schade. Mir wäre eine einfache Lösung lieber gewesen.
»Also gut, dann mal ganz offiziell: Ihr gebt jetzt Ruhe oder ihr packt eure Zelte ein und verschwindet. Natürlich bekommt ihr euer Geld wieder, meldet euch einfach vorne am Kiosk neben der Rezeption. Diese beiden Möglichkeiten gibt es, ihr habt die Wahl.«
Die drei schauten sich grinsend an, und in diesem Moment wusste ich, dass sie die dritte Möglichkeit wählen würden. Angetrunkene Karate-Tiger lassen sich wenig sagen, und sie packen nicht einfach die Zelte ein. Schon gar nicht diejenigen, die »Im Kampf die Besten« sind.
Genau das hatte ich befürchtet. Der Blonde machte zwei Schritte zurück zu seinem Stuhl und griff in eine offene Sporttasche. Was er da hervorholte, war ein Nunchaku: zwei dreißig Zentimeter lange Holzstäbe, die mit einer kurzen Kette verbunden waren. Mein Problem lag auf der Hand. Ein paar Sachen wollte ich bei den Jungs lieber vermeiden: eine Eskalation des Ganzen, Knochenbrüche, große Verletzungen und dauerhafte körperliche Schäden.
Mit einer lässigen Handbewegung wirbelte der Blonde die Hölzer durch die Luft. Beschwichtigend hob ich die rechte Hand. Vor langer Zeit hatte ich mal einen Kurs zur Deeskalation von Konflikten absolvieren müssen.
»So, Alter, jetzt haust du ab! Ist das klar? Wir wollen dich hier nicht noch einmal sehen.«
Ich strich die Deeskalation von meiner Liste. Der Blonde wirbelte das Nunchaku in meine Richtung, die Spitze des gut drei Zentimeter starken Holzstabes zischte an meinem Gesicht vorbei. Ich strich auch die Knochenbrüche!