Johannas Rache
Roman
Jens J. Kramer
Droemer Taschenbuch
Taschenbuch
Ihre Vergangenheit ist sein Verderben:
ein atmosphärischer Roman mit einer unkonventionellen Heldin
Eine geheimnisvolle Fremde im Zug, eine leidenschaftliche, aber auch verstörende Nacht – mehr braucht es nicht, um den erfolgreichen Evolutionsbiologen Adrian aus der Bahn zu werfen. Entgegen alle Vernunft folgt er der rätselhaften Johanna, wohin sie ihn auch führt. Doch je mehr er in den Bann ihrer verhängnisvollen Vergangenheit gerät, desto mehr geraten die Prämissen seines eigenen Lebens ins Wanken. Als er erkennt, dass Johanna auf einem unbarmherzigen Rachefeldzug ist, muss er eine Entscheidung treffen: Will er ihr Werkzeug sein – oder sein eigenes Leben retten?
Ein sinnlicher Roman, dessen Atmosphäre unterschwelliger Bedrohung von der ersten Seite an fesselt. Adrian und Johanna werden noch lange im Gedächtnis bleiben.
![Jens J. Kramer Jens J. Kramer](/images/verlag/autoren/mittel/kramer-jens-j-770.jpg)
Jens J. Kramer
Jens J. Kramer, Jahrgang 1957, studierte in Berlin Ethnologie und Publizistik. Zum Romanschreiben kam er über einen Umweg, bei dem ein geheimnisvoller Friedhof in Westafrika und Briefe in altdeutscher Handschrift eine Rolle spielten. 1999 debütierte er mit einem historischen Roman über das koloniale Afrika (Die Stadt unter den Steinen), dem zwei weitere folgten. Als Jo Kramer schreibt er romantische Komödien, die u.a. für den DeLiA-Literaturpreis nominiert waren. Als Mike Schulz verfasst Kramer Krimikomödien. Zusammen mit seiner Ehefrau, der Bestsellerautorin Nina George, ist er Jean Bagnol, der Erfinder des provenzalischen Ermittlers „Commissaire Mazan“. Kramer ist Mitglied des deutschen PEN-Zentrums und des VS. Seit Mai 2017 ist er Vorstandsvorsitzender des SYNDIKATS. Er lebt in Berlin.
»Ein ungewöhnlich glaubwürdiger Kriminalroman, der auf jegliches Klischee verzichtet.«
Büchermagazin März 2018
Interview der SYNDIKATS-Redaktion mit Jens J. Kramer
Wo schreibst du am liebsten?
In unserem Schreibexil in der Bretagne. Ein kleines Haus, von dem aus man das Meer sehen kann.
Dein Lieblingskollege/Lieblingskollegin?
Nina George
Warum bist du im SYNDIKAT?
Ich habe Vereine nie gemocht. Bis Nina mich mal zu einer Criminale mitnahm. Ich wusste sofort: das isses! Danach musste ich nur noch einen Krimi schreiben.
Dein Sehnsuchtsort?
Das Häuschen am Meer.
Dein Lieblingsgetränk?
Weißwein aus der Gascogne.
Dein Lieblingsmord?
Der erste natürlich. Einfach unvergesslich. Hach!
Wo findest du Ruhe?
In dem Häuschen … s.o.
Wo Aufregung?
Criminale, Buchmesse, politische Debatte.
Deine persönlich meist gehasste Frage?
Und du so?
Leseprobe
SIE STAND VOR der Abteiltür, als wartete sie darauf, dass jemand ihr öffnete. Eine Frau mit kurzen Haaren in einem grauen Tren- chcoat, die eine etwas unförmige Reisetasche über der Schulter trug. Schließlich – es waren vielleicht drei Sekunden gewesen, die mir aber länger vorkamen – fasste sie nach dem Griff und schob die Tür entschlossen auf.
Ein Blick aus graublauen Augen traf mich, kurz und kühl. Kein »Guten Tag«, kein Lächeln, nicht einmal ein Nicken. Ich erhob mich dennoch, als sie Anstalten machte, ihre Tasche ins Gepäckfach zu hieven.
»Sie erlauben?«
Wieder schaute sie mich an, diesmal etwas forschender. Fast erwartete ich, dass sie ablehnte. Dann aber überließ sie mir die Tasche. Sie war nicht schwer, sie hätte es wahrscheinlich mühelos allein geschafft. Auch jetzt kein Wort, kein Dank. Ich setzte mich wieder an meinen Fensterplatz, während die Fremde sich mir gegenüber niederließ, ohne den Mantel auszuziehen. Mit einem Blick unter den Tisch vergewisserte ich mich, dass ich ihr nicht in die Quere kam. Dabei fielen mir ihre flachen, etwas abgetragenen Schuhe auf. Vor allem aber, dass sie keine Strümpfe trug. Es war ein wenig zu kalt für nackte Beine, aber es ging mich nichts an.
Kurz fragte ich mich, ob sie sich wohl zu unterhalten wünschte. Was mir nicht recht gewesen wäre, da ich arbeiten wollte. Aber die Frau schaute einfach nur aus dem Fenster und schien mich bereits vollkommen vergessen zu haben. Der Zug rollte an, und ich vertiefte mich wieder in mein Vortragsmanuskript. Doch es gelang mir nicht recht, mich auf den Text zu konzentrieren.
Meine Gedanken versuchten, eine bestimmte Wahrnehmung zu fassen zu kriegen, die mich irritiert hatte. Aber es war nicht wirk- lich eine Wahrnehmung, sondern eher ihr Mangel. Es dauerte ei- nen Moment, ehe ich die Leerstelle erkannte Es war der Geruch der Frau mir gegenüber.
Für ein paar Sekunden hatten wir ziemlich nah beieinander gestanden. Ich hatte es mir angewöhnt, auf das Parfum einer Frau zu achten. Der Geruch oder besser die Mischung der Gerüche sagt eine Menge über einen Menschen aus. Die Fremde, der ich den Koffer ins Gepäckfach gehoben hatte, war olfaktorisch gesehen, ziemlich einsilbig. Ich hatte keinerlei Parfum wahrgenommen, nur einen Hauch Seife, der mit dem leicht muffigen Aroma des Mantels kämpfte, als ob der zu lange in einem Schrank gehangen hatte. Der Geruch der Frau blieb darunter fast verborgen. Fast. Denn einige Aromamoleküle hatten meine Geruchsrezeptoren erreicht, die diese Information unverzüglich an mein Gehirn weiterleiteten und dort, in den tiefer liegenden Regionen, ein Programm aktivierten, das mich in den Fortpflanzungsmodus versetzen wollte. Mein Großhirn widerstand dem Impuls, dieses Programm unverzüglich umzusetzen, konnte sich aber nicht dagegen wehren, dass mein Interesse geweckt war.