Ein tödliches Schäferstündchen
Krimi
Werner Kehrer
Oertel u. Spörer
Taschenbuch
Am anderen Morgen findet ein Elektriker, der zur Reparatur einer Lampe gerufen worden war, beide Frauen tot auf. Aufgrund der politischen Brisanz zieht das LKA die Ermittlungen an sich. Der Reutlinger Kriminalhauptkommissar Gerhard Meininger gibt sich jedoch mit der Nebenrolle nicht zufrieden und untersucht den Fall auf seine Weise. Dabei riskiert er nicht nur seinen Job, sondern bekommt auch Unterstützung von einem ehemaligen Rechtsanwalt, den er in Freiburg kennengelernt hat.

Werner Kehrer
Ist gebürtiger Reutlinger und lebt in Metzingen-Neuhausen. Er ist inzwischen im Ruhestand und verbringt seine Freizeit neben vielen Ehrenämtern in seiner kleinen Landwirtschaft. Er schreibt seit 2007 Krimis mit Hauptkommissar Meininger und seinem Team als Ermittler.
Fragen der SYNDIKATS-Redaktion an Werner Kehrer
Wo schreibst du am liebsten?
Zuhause in meinem Arbeitszimmer.
Welcher ist dein Lieblingskrimi?
Alle Maigretkrimis.
Dein Lieblingskollege/Lieblingskollegin?
George Simenon.
Warum bist du im SYNDIKAT?
Um neue Kollegen kennenzulernen.
Dein Lieblingswort?
Hab ich nicht!
Dein Sehnsuchtsort?
Hab ich nicht!
Dein Lieblingsgetränk
Rotwein, möglichst der eigene!
Dein Lieblingsmord?
Hab ich nicht.
Wo findest du Ruhe?
Bei der Arbeit im Weinberg.
Wo Aufregung?
Überall, wo Versager am Werke sind!
Deine persönlich meist gehasste Frage?
Da gibt es viele!
Leseprobe
Der Scheibenwischer verrichtete seine Tätigkeit mit einem lang gezogenen Ächzen. Ein leichter Sommerregen ging über dem Land nieder, als sich Christina Baader auf den Weg auf die Schwäbische Alb machte. Sie sollte sich mit ihrer Chefin, der Staatssekretärin Melissa Sawatzki, im Hofgut Hopfenburg nahe Münsingen treffen. Dort wurde auf Initiative des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus zu einer Tagung mit Unternehmern, Bauern und den Vertretern der Kommunen eingeladen. Es ging um die Probleme mit dem Tourismus nach der Bewältigung der Coronakrise und den Abbau von bürokratischen Hürden bei der Erteilung von Lizenzen zur Vermietung von Ferienwohnungen. Christina Baader hatte von ihrer Chefin die Aufgabe zugeteilt bekommen, Themen als Diskussionsgrundlage zusammen zu tragen. Die Vertreter der Tourismusbranche auf der einen und die der Behörden auf der anderen Seite sollten sich gegenüber sitzen. Anschließend wollte die Staatssekretärin vorbildlich wirtschaftende Betriebe mit Urkunden und Medaillen auszeichnen. Dem sollte ein lockeres Gespräch unter allen Beteiligten bei einem Buffet und Getränken von einem lokalen Caterer folgen.
Christina Baader war zwar »nur« Ministerialrätin, aber sie besaß das Talent und das Fachwissen, Meinungsverschiedenheiten diplomatisch auszuräumen. Nur deshalb hatte sie Staatssekretärin Sawatzki auf die Alb beordert. Christina Baader konnte ihre Chefin nicht ausstehen, war diese doch in ihren Augen nichts anderes als ein »Karriereflittchen«. Tatsächlich hatte man für diese Frau extra eine Stelle geschaffen, um sie zu beschäftigen. Dies ging aber nur mit besten Beziehungen zur neu gewählten Landesregierung. Sawatzki war nach ihrer Berufung in das Amt der Staatssekretärin für die Weiterentwicklung des Tourismus im ländlichen Raum zuständig. Ein Bereich, in dem es fast nie größere Probleme gab. Trotzdem musste man sich hin und wieder vor Ort sehen lassen, um zu zeigen, dass man gebraucht wurde. Christina Baader hatte auch die Eröffnungsrede der Tagung für die Staatssekretärin geschrieben. Baaders Ziel war es, über kurz oder lang den Posten von Sawatzki zu übernehmen. Sie hatte in den vergangenen Wochen und Monaten alles daran gesetzt, in Regierungskreisen für Gesprächsstoff zu sorgen, um auf ihre Fachkompetenz hinzuweisen.
Auf Höhe der Ausfahrt Metzingen West verließ Christina Baader die B 312, denn sie hatte noch eine wichtige Verabredung mit einem Freund aus früheren Tagen. Er sollte sie bei dem Vorhaben unterstützen, die Sawatzki von ihrem Posten zu verdrängen. Koste es, was es wolle. In der Innenstadt gab es ein Café, wo sie sich mit dem Mann treffen wollte. Baader hatte vor, dem Mann Vorschläge unterbreiten, wie er verhindern sollte, dass die Staatsekretärin zum Veranstaltungsort gelangen konnte. Wenn dies gelänge, wollte Christina Baader in Vertretung die Eröffnungsrede halten und die Moderation der Veranstaltung übernehmen. Dann konnte sie endlich zeigen, was in ihr steckte. Baader fand einen Parkplatz im Parkhaus des Rathauses. Sie wollte nicht, dass ihr Auto so einfach gesehen werden konnte. Das war durchaus möglich, weil sich im Outlet von Metzingen die halbe Welt traf. Es konnte durchaus sein, dass einer ihrer Kollegen zufällig vor Ort war. Sie wollte sich dumme Fragen einfach ersparen. Da sie noch etwas Zeit hatte, ging sie nicht den direkten Weg zum Café, sondern hinter dem Rathaus zur Kronengasse. Dann gelangte sie schließlich zur Reutlinger Straße und wieder zurück zum Rathaus. Nach wenigen Metern erreichte sie das Café. Da es regnete, ging sie hinein. Es war zu dieser Zeit wenig los, denn es war kurz nach ein Uhr, also noch keine Kaffee- und Kuchenzeit. Da Christina Baader noch keine Zeit für ein Mittagessen hatte, genehmigte sie sich als Ausgleich ein Stück Torte. Am Eingang erspähte sie Mohammed Elias, den Mann, den sie erwartete. Neugierig schaute er sich um und ging dann freudestrahlend auf den Tisch von Christina Baader zu.
»Hallo, schön dich mal wieder zu sehen!«, sagte er und drückte Baader an sich.
»Freut mich, dass du gekommen bist!«, sagte sie.
Er holte sich ein Wasser und einen Kaffee und setzte sich neben sie.
»Was kann ich für dich tun?«, fragte er und kam sofort auf den Punkt.
»Du kennst doch meine Chefin, die Sawatzki?«
»Ja, wer kennt die nicht?«, sagte Mohammed und verdrehte die Augen.
»Die kann nichts! Die ist eine Zumutung für unsere Abteilung. Ich arbeite daran, die abzusägen.«
»Und wer soll dann ihre Arbeit machen?«
»Ich, wer sonst. Ich mache doch sowieso alles! Die liest die Texte vom Blatt ab, die ich ihr formuliere, ich löse alle Probleme, die an uns angetragen werden! Ich mache alle Termine, die würde doch ihren Arsch nie und nimmer aus ihrem Büro erheben, wenn ich nicht mit den Bürgern und den anderen Behörden Termine machen würde!«
»Wie willst du das anstellen?«
»Ich brauche deine Hilfe. Du musst verhindern, dass sie heute Abend in Münsingen auftaucht«, sagte Baader leise.
»Wie stellst du dir das vor? Soll ich die etwa umbringen?«
»Mach was du willst, du hast mir doch immer erzählt, dass du Beziehungen zu besonderen Jungs hast. Ich übernachte übrigens heute in Münsingen. Sollen wir uns noch nach der Veranstaltung da oben treffen?« Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, so dass ihr üppiger Busen noch mehr zur Geltung kam. Sie wusste, dass es Mohammed schon lange auf sie abgesehen hatte.