Dunkelkinder
Nora Luttmer

Knaur Taschenbuch


ISBN 978-3-4265-2193-9

14,99 € [D], 15,50 € [A]
Ein Hochbunker in Hamburg, ein junger Mann, der mit einem Nachtsichtgerät auf dem Dach des Bunkers höchst Ungewöhnliches beobachtet, eine kantige Kommissarin, die sich mit einem alten Fall beschäftigen muss und dabei nicht nur im Raakmoor bei Hamburg die Leichen zweier Männer entdeckt, sondern auch ins Kreuzfeuer der Drogen-Mafia gerät.
Die Hamburger Journalistin und Autorin Nora Luttmer, deren Debütroman für den Glauserpreis in der Sparte "bestes Debüt" nominiert wurde, legt mit "Dunkelkinder" einen düsteren und hochspannenden Großstadt-Thriller vor, der unter die Haut geht und durch seine ungewöhnlichen Schauplätze fasziniert.
Bald zwei Jahre ist es her, dass auf einer Lichtung im Raakmoor im Norden Hamburgs die Leiche eines vietnamesischen Jungen entdeckt wurde. Bis heute konnte das Kind nicht identifiziert werden, es ist ein 'Geist', ein "Geisterkind", illegal und ohne Angehörige in Deutschland, nirgendwo gemeldet, von niemandem vermisst. Doch nun werden an derselben Stelle zwei Männerleichen gefunden. Die junge Kommissarin Mia Paulsen setzt alles daran, beide Verbrechen aufzuklären. Die Kommissarin ahnt nicht, dass sie in ein Hornissennest sticht und weitere Kinder in Gefahr bringt, als sie einer Spur zu einem alten, nur scheinbar verlassenen Hochbunker mitten in Hamburg folgt.
Ein Hamburg-Thriller der Extraklasse!
Nora Luttmer

Nora Luttmer

Nora Luttmer (*1973 in Köln) lebt in Hamburg und arbeitet als Autorin und freie Journalistin. Sie hat Südostasienkunde mit dem Schwerpunkt Vietnam in Passau, Hanoi und Paris studiert. Anschließend absolvierte sie in Mainz den Aufbaustudiengang Journalistik. Seit Mitte der 1990er Jahre verbringt sie regelmäßig längere Zeit in Hanoi. 

Ihr Roman Schwarze Schiffe wurde 2014 für den Glauserpreis in der Sparte Debüt nominiert.

Dunkelkinder ist die Empfehlung der Woche der SYNDIKATs-Redaktion vom 13. August 2018.

Einige Fragen an Nora Luther

Wie viele Verbrechen gehen auf ihr Konto?

Da habe ich längst den Überblick verloren.

Warum haben Sie sich für ein Leben mit dem Verbrechen entschieden?

Ich bin da so reingerutscht. Und lange hat niemand etwas geahnt. 

Was ist Ihre Lieblingstatwaffe?

Ich bin da sehr flexibel, allerdings mit einem leichten Hang zu Messern und Giftschlangen.

Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen?

Die Angeklagte schüttelt den Kopf. "Ich bereue nichts."

Rezensionen

"Packender Hamburg-Krimi mit interessanten Figuren, Verbindungen nach Vietnam und in das organisierte Verbrechen." BÜCHERmagazin 4/2018 

"Die Krimis der Hamburger Autorin Nora Luttmer sind herausragend. Vielleicht, weil ihre Kommissarin in der Badewanne nachdenkt?" Kulturnews Mai 2018

 

Leseprobe:

SAM

In der Nacht träumte Sam wieder von den Toten. Tote, die er kannte, und Tote, die er nicht kannte. Ihre Gesichter rutschten übereinander und verschmolzen wie Schattenbilder – bis er sie nicht mehr unterscheiden konnte. Sie grinsten ihn an, schrien, weinten, drohten, jammerten, heulten. Der Krach war unerträglich.

Schweißgebadet und keuchend wachte Sam auf. Tränen liefen ihm über das Gesicht und Rotz aus der Nase. Er zog sich die fleckige Decke über die Augen. Sie roch nach Schimmel.

Sam wollte schreien, aber es kam nur ein erstickter Laut aus seiner Kehle. Er spürte eine Wut in sich, die er so bisher nicht gekannt hatte. Eine Wut, die erst da war seit der Sache im Wald. Wie eine Explosion in seinem Inneren, ein Kribbeln bis in die Fingerspitzen. Mit den Fäusten hämmerte er gegen seine Schläfen und versuchte, die Bilder aus seinem Kopf zu vertreiben. Aber er hörte immer noch die Stimmen der Toten. Er hörte auch wieder das Wimmern und Betteln des Einäugigen, draußen im Wald. Er sprang auf und tigerte hin und her. [...]

Thanh saß mit angezogenen Beinen auf seiner Pritsche und starrte Sam an. Thanh war der andere Junge, der hier mit ihm zusammen in diesem verfluchten Bunker hauste. Bleich und mit weit aufgerissenen Augen sah er aus wie die Toten aus seinem Traum.

Sam ertrug die Blicke nicht mehr. Nicht die der Toten und auch Thanhs nicht. Weg, weg mit euch, schrie es in ihm. Die Bilder drehten sich in seinem Kopf, alles ging durcheinander und das Chaos in seinem Kopf machte ihn noch wütender, als er sowieso schon war. Er trat einen herumliegenden Schuh gegen die Wand, lief weiter hin und her. Er wusste nicht, wohin mit dieser Wut. Er packte Thanh, riss ihn hoch und stieß ihn mit dem Kopf gegen die Wand. Thanh wehrte sich nicht, schlaff hing er in Sams Händen, und Sam drückte ihn immer fester gegen die Wand. Er fühlte, wie Thanhs Schädel über den bröckeligen Beton schabte, hörte das Geräusch, dieses furchtbare Geräusch. Aber er ließ nicht los. Erst Thanhs Schreie holten ihn aus seinem Wahn. Sams Finger lösten sich, sein ganzer Körper bebte. Er starrte auf seine Hände. Die Hände eines Monsters. Was hatte er getan, was um Himmels willen hatte er getan? Thanh war doch sein Freund, sein einziger Freund. Der einzige Mensch, der noch bei ihm war.

Sam drehte sich um und rannte nach oben. Er musste raus hier, aufs Dach. An die frische Luft.

Draußen wehte ein rauer Wind. Schwere Wolken bedeckten dunkel den Himmel. Es war kalt, sicher würde es bald schneien. Er sog die frostige Luft so tief in die Lunge, dass es schmerzte. Er wünschte, der Mann mit den kalten hellen Augen hätte ihn einfach erschossen. So wie den Einäugigen. Erschossen und ins Grab gestoßen, das Grab, das Sam geschaufelt hatte. [...]

Eine Weile stand Sam einfach nur da und hielt das Gesicht in den Wind, bis das Blut heiß in seinen Wangen pulsierte. Er dachte an seine Erwartungen, die so groß gewesen waren. Jetzt klammerte er sich nur noch an die Hoffnung, das alles würde irgendwann ein Ende haben.