Die schwarzen Tränen von Sines
Inspektor Cabral ermittelt - Band 2
Claudia Wenk Santana
Aufbau Taschenbuch
Archäologen finden in den Gräbern eines alten Friedhofs einen Hinweis auf eine erst kürzlich als vermisst gemeldete Person. Wie ist das möglich? Dann werden nacheinander zwei Leichen gefunden, und Inspektor Cabral übernimmt die Ermittlungen. Bald scheint auch die Umweltaktivistin Teresa Pinto, auf die er ein Auge geworfen hat, verdächtig zu sein. Als Cabral Symbole bemerkt, die in die Haut der Toten eingebrannt wurden, beginnt er die grausame Wahrheit zu begreifen. Aber kann er einen weiteren Mord verhindern?

Claudia Wenk Santana
Claudia Wenk Santana, gebürtige Hamburgerin, veröffentlichte mehrere Kurzkrimis und erhielt 2015 den Publikumspreis des schleswig-holsteinischen Krimifestivals KrimiNordica. 2018 erschien ein Mallorca-Krimi im Emons Verlag, in 2020 folgten zwei Kriminalromane mit portugiesischem Schauplatz im Aufbau Verlag. Aber es geht auch ohne Mord und Totschlag. Bei Bastei Lübbe erscheinen unter dem Pseudonym Lea Santana in drei Romane im Bereich Frauenliteratur. Claudia Wenk Santana ist Mitglied im SYNDIKAT e.V. und im Hamburger writers‘ room.
Interview der SYNDIKATS-Redaktion mit Claudia Santana
Wo schreibst du am liebsten?
Zuhause an meinem Schreibtisch und im Hamburger writers' room. Aber egal, wo eventuell sonst noch, ich brauche Stille.
Was ist der ungewöhnlichste Ort, an dem du geschrieben hast?
Im Auto. Es ist momentan bereits das zweite Mal, dass in den letzten Wochen vor einem Abgabetermin bei uns im Haus Wohnungen entkernt und saniert werden. Beim ersten Mal konnte ich vor dem Lärm in den writers' room flüchten. Diesmal geht das aufgrund der Corona-Situation nicht. Wenn es also manchmal ganz schlimm laut ist, setze ich mich in mein Auto, fahre den Sitz zurück und schreibe da. Was die Nachbarn denken? Hier bitte Schulterzucken denken.
Welches ist dein Lieblingskrimi?
Ich habe nicht den einen Lieblingskrimi, aber ich war immer ein großer Fan der Montalbano-Reihe von Andrea Camilleri.
Dein Sehnsuchtsort?
Der Gardasee.
Wo findest du Ruhe?
Draußen, bei langen Spaziergängen. Ich liebe die Nordseeküste, die Rapsfelder in Schleswig-Holstein und die Alleen in Mecklenburg-Vorpommern.
Deine persönlich meist gehasste Frage?
Gehasst ist zuviel gesagt, aber eine der seltsamsten Fragen ist die von Menschen, die mich schon länger kennen, dann aber zum ersten Mal hören, dass ich Bücher schreibe. Dann kommt oft: "Echt? Und wo kann ich die kaufen? So richtig im Buchladen und so?" Da würde ich gern manchmal antworten: "Nein, beim Bäcker."
Leseprobe
PROLOG
Ein Feuer loderte im Kamin. Die Holzscheite knisterten und knackten, bevor sie schließlich mit einem letzten Aufglimmen zerbarsten und zu Asche zerfielen. In?s legte neue Scheite nach. Ihre Wangen glühten, wenn sie sich nah bei den Flammen aufhielt, doch abgesehen davon war ihr kälter als jemals zuvor. Die Kälte war in ihr. Eine eisige Vorbotin.
Dabei war es ein heiterer Tag. Ihre Tochter war ganz vertieft in ihre Stickarbeit, ihr Zweitältester schaukelte auf seinem hölzernen Schaukelpferd vor und zurück. Er lachte sein helles Kinderlachen. Der Kleinste schlief friedlich in seiner Wiege. Und doch konnte sie die Rückkehr des Mannes, der der Vater ihrer Kinder und ihr ganzes Glück war, heute kaum erwarten.
Ein Poltern am Tor ließ sie erstarren. Jemand hämmerte mit den Fäusten gegen das schwere Holz. Sie vernahm Männerstimmen, unheilvoll und unnachgiebig. Sie rührte sich nicht. Sie war ganz alleine mit den Kindern. Wenn sie so tat, als wenn sie nicht da waren, würden die Männer wieder gehen? Doch das Holz war nicht schwer genug. Es gab nach, und das Tor flog auf. Die Männer waren jetzt in der Eingangshalle.
Mit donnernden Schritten auf dem kalten Stein näherten sie sich. In?s riss ihren Sohn aus dem Schaukelpferd und drückte ihn an sich. Schützend stellte sie sich vor ihre Tochter und die Wiege mit dem Kleinkind.
Dann waren sie da. Drei Männer. Straffe Haltung, entschlossene Gesichter. Blicke, aus denen Verachtung sprühte, trafen sie. Die völlige Abwesenheit von Mitgefühl. Sie wusste sofort, wer die Männer geschickt hatte. Auch wenn sie bis zu diesem Moment nicht hatte glauben wollen, dass er tatsächlich so weit gehen würde. Dass nun alles vorbei sein sollte.
Wenigstens die Kinder mussten sie verschonen. Die Älteste kauerte weinend in einer Ecke. Ihre Handarbeit war ihr aus der Hand geglitten und lag unbeachtet zu ihren Füßen. Der Kleinste in der Wiege begann zu schreien, obgleich er die Gefahr nicht begriff. Doch er spürte, dass etwas nicht stimmte. Ihr Sohn klammerte sich mit den zarten Kinderarmen und seinem ganzen Gewicht verzweifelt an ihren Hals. Sie drückte ihn an sich, warf sich auf die Knie und flehte die Männer an.
Einer riss das Kind aus ihren Armen. Die beiden anderen packten sie an den Schultern und beugten sie vor. Ihr rotgoldenes Haar löste sich aus den Kämmen und ergoss sich über ihr Gesicht, fiel in Wellen auf den glatten Steinboden. Sie sprachen nicht mit ihr, erklärten nichts. Es war auch nicht nötig, sie wusste alles. Die Klinge an ihrem Hals war kalt wie Eis. Ihr Blut warm und pulsierend, als es aus ihr herausströmte. Wie ihr viel zu kurzes Leben. Ihr letzter Gedanke war, dass er nun zu spät kommen würde. Und dass er mit diesem Wissen weiterleben musste.