Die Millionen von Neresheim
Ein Schwaben-Krimi
Oertel u. Spörer
Taschenbuch
Die Aussage der Psychologin Katja Klar, die den Toten beim Rudern entdeckte, bringt Anita Schenk schließlich auf die Spur eines großangelegten Steuerbetrugs, den der Abt seit Jahren zur Rettung seines Klosters beging. Stammen daher die Neresheimer Millionen? Oder kommen sie etwa aus dem Verkauf des Klosterweines, der seltsam reichlich floss, obwohl der Abt einen Weinberg nach dem anderen verkaufte?
Kriminalhauptmeister Peter Lutz kommt der Sache im Fränkischen auf die Spur und Anita Schenk hat bei der Vernehmung der Psychologin einen Verdacht…
Empfehlung der Woche
Die Millionen von Neresheim ist die Empfehlung der Woche der SYNDIKATs-Redaktion vom 28. Februar 2016.Kritikerstimme
Autor Bender kann das nur recht sein: Je schillernder der Fall, um so größer das Interesse der Öffentlichkeit – und damit auch einer zumindest potenziellen Leserschaft. Und der Autor braucht ja, zur Lösung seiner eigenen, ausdrücklich und notwendigerweise als "fiktiv" deklarierten Geschichte, die reale Aufklärung nicht. Er hat die Freiheit, sein eigenes Geschehen zu konstruieren und dann selber aufzuklären: Die innere Plausibilität ist für denPsychologen, dessen Hauptaugenmerk ohnehin nicht auf den juristischen oder steuerrechtlichen Finessen des Neresheimer Falles liegt, die entscheidende Richtgröße. Und da ist dem Autor durchaus Überzeugendes und dennoch Überraschendes eingefallen. [...] Der Autor, kann man befriedigt feststellen, hat Neresheim, hat den Raum um Heidenheim und Aalen nicht nur als billige und beliebige Kulisse genutzt; er hat recherchiert und neben den dominierenden Stuttgarter Geschehenseinheiten auch durchaus die Ostalb plastisch werden lassen.
Manfred Allenhöfer, Südwest Presse 12.11.2015
Drei Fragen an Jochen Bender
Warum haben Sie sich für ein Leben mit dem Verbrechen entschieden?Weil ein moralisch einwandfreies Leben langweilig ist.
Was ist Ihre Lieblingstatwaffe?
Alles was tödlich ist und keine eindeutigen Spuren hinterlässt.
Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen?
Ich kann nichts dafür! Als Schwabe gehört man einer diskriminierten Minderheit an. Da muss man fast zwangsläufig den Weg der Gewalt einschlagen!
Leseprobe
Wie vorab vereinbart, stellte Anita das mobile Aufnahmegerät zwischen ihnen ab und schaltete es ein. Dann sprach sie Zeit, Datum, die Namen der Anwesenden und die Rechte des Befragten auf, ehe sie mit der eigentlichen Befragung begann:
„Im Kern geht es um den Abend des siebten November in der Stadthalle von Neresheim. Sie stellten sich damals den Fragen der Bürger zu ihrem Projekt eines Luxus-Golf-Hotels in den Gebäuden des dortigen Klosters. Nach Ende der offiziellen Veranstaltung äußerten Sie vor Zeugen: Abt Angenehm würde es noch leidtun, sollte er dem Verkauf nicht zustimmen. Dies kann man durchaus als Drohung dem Abt gegenüber auffassen.“
„Es war aber nicht als Drohung gemeint. Ich war in erster Linie sauer, dass er sich der Diskussion entzog. Bis zuletzt hatte ich gehofft, der Abt kommt doch noch. Ein Platz auf dem Podium war für ihn reserviert und bis zum Beginn der Veranstaltung stand dort sogar sein Namensschild.“
„Wie waren Ihre Worte dann gemeint?“
„Na, man bereut es doch, wenn man sich ein gutes Geschäft entgehen lässt! Ich will meine Äußerung rein in diesem Sinne verstanden wissen!“
„Sie sind ein intelligenter und gebildeter Mann, der über ausreichend Lebenserfahrung verfügt. Da muss Ihnen doch klar sein, dass nicht alle Menschen wie Sie rein in der Kategorie von Geschäften denken! Ein Mann Gottes denkt in anderen Kategorien als Sie!“
„Natürlich weiß ich das!“, erwiderte er verärgert. Dies nicht zu wissen würde ihn schließlich in die Ecke der Dummen und Ungebildeten stecken. „Aber in meinem Ärger bedachte ich das an jenem Abend vielleicht nicht ganz ausreichend!“
„...nicht ganz ausreichend bedacht“, wiederholte Anita ihn. „Waren Ihre Worte also ein Fehler?“
Boßler stutzte, starrte Anita vergrätzt an, ehe er entgegnete:
„Soweit würde ich nicht gehen.“
„Sind Sie nicht in der Lage einzugestehen, dass Sie Fehler machen?“
„Ich sehe nicht“, mischte sich Dr. Lorimer entschieden ein, „was die Frage mit dem Tod von Abt Angenehm und meinem Mandanten zu tun hat!“
„Ganz einfach, wenn der Abt sich weiterhin geweigert hätte zu verkaufen, hätte sich das ganze Projekt Ihres Mandanten als Fehler erwiesen. Ein teurer Fehler, den er zudem öffentlich würde eingestehen müssen. Dabei kann er nicht einmal in diesem diskreten Rahmen einen kleinen Fehler eingestehen!“
„Nun gut“, entgegnete Herr Boßler zähneknirschend, „ich gestehe ein, an jenem Abend den Fehler begangen zu haben, mich von meinen Emotionen leiten zu lassen und eine dumme Bemerkung gemacht zu haben.“
„Gut. Das führt mich direkt zu meiner nächsten Frage. Welche Emotion steckt hinter Ihrer Aussage von jenem Abend: Ein Mann wie ich lässt sich von einem aus der Zeit gefallenen Greis doch nicht aufhalten?“
Hasserfüllt starrte Boßler sie an. Anita lief es kalt den Rücken hinunter. Sie zweifelte keinen Augenblick daran, dass er in der Lage war zu morden oder morden zu lassen. Grimmig erwiderte er:
„Sagen Sie es mir!“
Als Antwort schenkte sie ihm ein überhebliches Lächeln. Normalerweise würde ein selbstherrlicher Typ wie er spätestens jetzt explodieren. Mit äußerster Anstrengung hielt er sich, schwer atmend um Kontrolle über seine Gefühle ringend, zurück. Die Frage war, warum er dies tat. Sicher nicht aus Respekt vor ihr als Vertreterin des Staates. Wovor fürchtete er sich?
„Warum haben Sie Abt Angenehm eigentlich ausspionieren lassen?“, stichelte sie weiter.
„Frau Kommissarin!“, schaltete sich umgehend Dr. Lorimer ein. „Das geht jetzt wirklich zu weit! Ich protestiere aufs Heftigste gegen eine solche Unterstellung meinem Mandanten gegenüber?“
„Ist es eine Unterstellung?“, fragte sie den Mandanten und sah ihn dabei mit einem herausfordernden Lächeln an. „Ich biete Ihnen hier und jetzt die Gelegenheit, uns zu helfen und sich zu entlasten, damit Sie nicht in den Verdacht der Beihilfe zum Mord an dem Abt geraten.“
Boßler verfluchte innerlich dieses biestige Bullenweib. Was wusste die? Und vor allen Dingen: Wer hatte geplaudert?